Abseits des Mainstreams: Der finnische Fotograf Ari Jaaksi und seine nachdenklichen Schwarzweißbilder
5 Share TweetBeim Fotografieren interessiert sich Ari Jaaksi oft mehr für den leeren Raum als das eigentliche Motiv. Für ihn ergibt sich erst aus dem Verhältnis zwischen dem bewussten Einsatz von Leere und dem eigentlichen Subjekt die künstlerische Aussage. Seine Bilder strahlen Minimalismus, Bescheidenheit und Nachdenklichkeit aus – genauso wie der Mann hinter der Kamera.
Aris Youtube-Kanal Shoot on Film, den er erst 2019 startete, wurde im Laufe der letzten Jahre für viele Filmfotograf:innen zu einem sicheren Hafen, um ihre Ideen mit anderen zu teilen und zu lernen. In seinen monochromen Videos sieht man Ari für gewöhnlich direkt vor der Kamera sitzen, wenn er über seine Theorien und Meinungen zur Filmfotografie spricht, aber auch fotografische Tricks preisgibt oder Filmequipment vorstellt. Untermalt werden seine Videos dabei oft von Hintergrundmusik, womit der Pianist auch seine Leidenschaft für Musik einfließen lässt.
Wir durften Ari ein paar Fragen zu seiner Kunst stellen, und ähnlich wie bei seinen Videoessays antwortete er mit Witz und nachdenklich stimmenden Ideen und Ratschlägen.
Ich erinnere mich an ein Interview von dir, in dem du erwähnt hast, wie du zur Filmfotografie gekommen bist. Damals hattest du eine analoge Kamera in einem Geschäft gesehen, die dein Interesse weckte. Was hat dich an der Filmfotografie als eine Art des Selbstausdrucks fasziniert und was treibt dich an, auch heute noch auf Film zu fotografieren?
Yeah. Meine erste Analogkamera war 2017 eine Rolleicord und ein reiner Impulskauf. Erst später habe ich bemerkt, dass mir der Prozess und die Resultate gefallen. Mit einer Filmkamera, besonders mit einer Mittelformatkamera oder noch größer, kann ich etwas komplett anderes kreieren und es fühlt sich mehr nach mir an. Für mich wirkt es so, als würden meine Bilder komplett anders aussehen, wenn ich auf Film fotografiere.
Die Kunst der Malerei endete nicht mit der Erfindung der Fotografie. Vielmehr wurden Malerei und Zeichnen von alltäglichen Aufgaben wie Illustrationen für Zeitungen und dem Dokumentieren befreit. Fotografen ersetzten Maler an Kriegsschauplätzen und Orten des Verbrechens. Aber Maler haben das Malen stärker in Richtung Kunst, Ausdruck und Schönheit geformt. Und das ist der Grund, warum wir noch immer auf Film fotografieren – heute mehr als in vielen, vielen Jahren!
Digital befreite die analoge Fotografie von langweiligen Alltagsaufgaben – und analoger Film kann jetzt an Plätze, für die zuvor nicht die Zeit und Freiheit vorhanden war! Für uns Künstler:innen bietet Film eine unvergleichliche Freiheit, Kreativität und ein Set an Werkzeugen, um unser Innerstes auszudrücken!
Warum ziehst du es vor, im Mittelformat und auf Schwarzweißfilm zu fotografieren? (Du hast dieses Thema in deinem Video angeschnitten, warum du nicht im Kleinbildformat fotografierst. Hast du immer noch die selben Ansichten?)
Für mich bedeutet die Fotografie mehr künstlerischer Selbstausdruck als das Einfangen von Momenten und Erinnerungen. Aber das bin nur ich. Und ich habe eine Theorie: Ich denke, wir sehen in einem Schwarzweißfoto automatisch ein Kunstwerk, eine von Menschen gemachte Illustration eines Dings/ einer Landschaft/ einer Person. Auf ein Farbfoto hingegen blicken wir unmittelbarer und nehmen es weniger als etwas illustrierendes wahr. Nicht als ein Kunstwerk.
Weil ich also an Fotos interessiert bin, die mehr ein Artifakt, ein Stück Kunst, ein menschengemachtes Werk darstellen, fühle ich mich von Schwarzweiß angezogen. Und zusätzlich mag ich den minimalistischen und einfachen Ausdruck, wofür Schwarzweiß perfekt ist. (Auch über das habe ich ein Video gemacht.)
Formate wie das Mittelformat und größer erlauben es mir, mich stärker vom fotografischen Mainstream, dem die anderen folgen, zu entfernen. Eine klassische Digitalkamera, sei es eine DSLR oder Spiegellose, ist eine Kopie einer gewöhnlichen 35 mm Filmkamera. Gleiche Maße, gleiche Funktionsweise, gleiche Sensor/Filmgröße usw.
Das liegt daran, dass die Konstrukteure von Digitalkameras von Anfang an eine High End SLR Kamera im Kopf hatten. Dadurch produzieren Digitalkameras auch spielend leicht einen Look, der ähnlich aussieht und sich anfühlt wie der von 35 mm Kameras. Gleiche Maße, gleiche Funktionsweise, gleiche Verwendung. Um meinen eigenen Stil zu formen und nicht wieder jeder andere zu sein, fotografiere ich praktisch nicht auf 35 mm Film. Außerdem sind 36 Aufnahmen pro Rolle einfach zu viel!
Was ist deine Lieblingsausrüstung für die Filmfotografie? Welche Kameras und Filme nutzt du derzeit am liebsten?
Meine Lieblingskamera ist definitiv meine Rolleiflex 2.8F. Die ist einfach großartig. Ich mag zweiäugige Spiegelreflexkameras aus mehreren Gründen: sie sind unauffällig für die Streetfotografie, für einen Brillenträger wie mich sind sie perfekt für die Bildgestaltung und sie sind so simpel, sodass nicht viel schief gehen kann. Die Rolleiflex 2.8F ist wahrscheinlich die beste TLR, die du kriegen kannst.
Eine weitere mehr derzeitigen Favoriten – und das sage ich nicht, weil ihr mich gerade interviewt – ist meine Lomo LC-A 120. Neben diesen zwei Kameras fotografiere ich regelmäßig mit meiner Holga, meiner 4x5” Lerouge 45 Pinhole Kamera und meinen vielen Graflex Kameras. Graflex Kameras machen jede fotografische Gelegenheit zu einer besonderen!
Ich habe zwei Lieblingsfilme: Ilford HP5+ und Ilford FP4+. HP5+ ist extrem vielseitig und ich kann ihn bis auf ISO 6400 pushen. FP4+ auf der anderen Seite ist ein wunderschön altmodischer Film für den Sommer, der alle Schatten und Nuancen wiedergibt, aber wenig Körnung zeigt. Filmkorn ist gut!
Du hast die Lomo LC-A 120 erwähnt. Gibt es besondere Anlässe für die du sie gerne nutzt? Und was kannst du über die Kamera grundsätzlich sagen? Welche Art von Analogfans würden zu der Kamera passen deiner Meinung nach?
Ich liebe diese Kamera. Sie ist eine absolut perfekte Allrounder Kamera, eine für Reisende und eine, die du überall hin mitnimmst. Ich war zuerst ein wenig von der fehlenden Auswahl an manuellen Einstellungen abgeschreckt, aber ich habe sie zu schätzen gelernt für das was sie ist. Sie hat ein wirklich tolles Weitwinkelobjektiv – die gleiche Brennweite wie meine Hasselblad Super Wide – man ist schnell mit ihr und sie ist klein und leicht. Sie ist einfach die perfekte Kombination aus Benutzerfreundlichkeit und Qualität. Und hat genau das richtige Maß an Vignettierungen!
Ich fotografiere Landschaften, Straßen sowie Freunde und Familie mit ihr. Sie ist nicht wirklich eine klassische Porträtkamera im herkömmlichen Sinn. Außerdem verwende ich sie üblicherweise mit schnellem Film, da du die Blende nicht manuell einstellen kannst und damit auch keine Kontrolle über die Schärfentiefe hast. Damit fallen langsame Filme und Bokehbilder mit Offenblende so gut wie weg mit der Lomo LC-A 120. Aber fast alles andere geht mit ihr!
Ich denke, sie ist eine exzellente Kamera für jemanden, der ins Mittelformat einsteigen möchte. Oder noch besser, jeder der die Filmfotografie ernst nimmt, sollte eine LOMO LC-A 120 immer mitsichtragen.
Schau, sie ist sehr klein und leicht, daher nehme ich die Lomo LC-A 120 sogar mit, wenn ich mit meinem zehnteiligen Hasselblad Set oder meinem schwerem 4x5” Equipment unterwegs bin. Sie wiegt praktisch nichts, und wenn alles andere nicht funktioniert, kann ich immer noch auf sie zurückgreifen. Und ziemlich häufig passiert es mir, dass ich beim Betrachten der Bilder dann feststelle, dass die mit der Lomo am besten geworden sind.
Warum hast du deinen Shoot on Film Youtubekanal gestartet und was sind deine Beweggründe ihn zu erhalten?
Ich wollte andere Gleichgesinnte kennenlernen. Und Mensch, Youtube hat mir damit geholfen – mehr als jede andere Plattform. Mein Kanal ist bescheiden und klein gehalten, aber die Abonnenten sind extrem aktiv.
Ich habe von meinen Zuschauern Abzüge als Weihnachtsgeschenk, Filme, ungewöhnliches Equipment, Ratschläge, Geld, was auch immer... bekommen. Die Leute wenden sich an mich, bitten mich um Rat und tauschen sich mit mir aus. Das ist so befriedigend. Außerdem ist die Art und Weise, wie ich es derzeit mache - ich spreche einfach von unserem Esszimmer aus in die Kamera - wirklich nicht viel Arbeit. Es ist eine absolut positive Erfahrung mit relativ wenig Aufwand!
Als jemand, der auf Film fotografiert und seine eigene Musik komponiert bist du es gewohnt mit verschiedenen Medien zu arbeiten. Gibt es Ähnlichkeiten zwischen deiner Herangehensweise an Musik und Fotografie?
Das ist so ein interessantes Thema und ich könnte ewig davon erzählen. Aber lasst mich nur einen Punkt als Beispiel nehmen: das Konzept des Raums. Wenn man in einer Band spielt, versucht man als guter Musiker möglichst viel leeren Raum um sich zu schaffen. Wie einer der größten Schlagzeuger der Welt, Bernard "Pretty" Purdie, im Interview mit Rick Beato gesagt hat: “stay out of the way”. Lasst Platz um die Dinge und stopft sie nicht zu.
Das gleiche gilt in der Fotografie: leerer Raum ist oft wichtiger als das Motiv, das du fotografierst. Der Raum um dein Motiv kann es hervorheben, eine Geschichte erzählen, Kontext geben und die Augen des Betrachters an die richtigen Punkte führen. Die gleiche Art wie ein leerer Raum rund um ein Klaviersolo es betonen kann und hervorstechen lässt! Daher schenke ich oft dem Raum mehr Aufmerksamkeit als dem eigentlichen Motiv.
Gibt es Fotografen zu denen du aufschaust oder die dir Inspiration für deine eigenen Arbeiten geben?
Pioniere, die ein komplett eigenes Sub-Genre entwickelt haben, sind immer studierenswert – ganz gleich, ob in der Musik oder Fotografie. Ich bin auch fasziniert von japanischen Fotografen wie Yamamoto Masao. Sie haben etwas sehr seelenvolles. Wenn ich schließlich draußen im kalten bei Minus 25 Grad die Natur fotografiere, muss ich immer an die Werke von Sir Frank Hurley denken. Seine Bilder aus der Antarktis sind über 100 Jahre alt, aber gehören immer noch zu den kraftvollsten Bildern, die ich je gesehen habe.
Viele deiner Fotos zeigen finnische Landschaften, besonders Szenerien aus Tampere. Gibt es noch weitere Motive, denen du dich in der Zukunft gerne widmen möchtest oder fotografische Projekte an gerne arbeiten wollen würdest?
Oh ja! Hier ist meine Liste an Vorsätzen:
- Porträts. Interessante und anders ausschauende Personen. Vorzugsweise nicht im klassischen Sinn schön.
- Landschaften. Die US-Bundesstaaten und Schottland. Mein Lebenstraum war Murmansk in Russland, aber solange die russische Aggression anhält, ist das ein No-Go.
- Punkbands in Action.
- Eine sechsmonatige Pause vom Produzieren neuer Fotos einlegen und mich nur in meiner Dunkelkammer einsperren, um Abzüge zu machen. Einfach printen. 12 Stunden am Tag. 7 Tage die Woche. Silbergelantine.
Vielen Dank, Ari, für deine Bilder und Einblicke! Der Rest der Lomography Community wünscht dir viel Glück bei deinen zukünftigen Projekten!
Wenn du mehr von Aris Arbeiten sehen möchtest, dann werde Teil seiner Youtube Community und besuche ihn auf Instagram und seiner Website.
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