Die New Generation: Ein Interview mit Tyler Mitchell

Tyler Mitchell repräsentiert mit seiner vielseitigen Arbeit und Fotografie eine neue, frische Generation. Der junge Künstler macht auch Filme und glaubt an ihre Magie. In einem Interview für unser Magazin spricht Tyler über seine Anfänge und die Schwierigkeiten, die ihm in seiner Karriere bisher begegnet sind, was ihn antreibt, Kunst zu schaffen und wie er sich in analoge Fotografie verliebt hat.

Selbstportrait von Tyler Mitchell

Du warst sehr jung, als du von Atlanta nach New York gezogen bist. Hat sich dein Leben mit deiner Adresse gemeinsam verändert? War das eine notwendige Herausforderung, um deine Karriere zu bereichern?
Es macht keinen Unterschied. Ich sag immer, New York ist einfach nur ein weiterer Ort, an dem man Kunst macht, nur diesmal will jeder, den du hier auf der Straße triffst, seinen Profit aus dir schlagen und dich ausnutzen. Das, was mir der Umzug also wirklich gebracht hat, ist genau darauf zu achten, wem man trauen kann und mit wem man arbeiten will. Man gewöhnt sich daran, dass dich auf Partys jeder anspricht und sagt „Hey, machen wir mal was!“ oder „Hey, wir sollten zusammenarbeiten, was ist deine Telefonnummer?“ Aber man lernt sich auch selbst besser kennen, wenn man sich entscheidet, was man in NYC machen will und mit wem. Und man konzentriert sich mehr darauf, echte und ehrliche Freunde zu finden und sie auch zu behalten. Sie sind das einzige, was du hast.

Wie sahen deine Anfänge in der Fotografie aus? Was hat dich dazu ermutigt, deine Sicht auf die Welt mit anderen auf diese Weise zu teilen?
Ich fing damit an, in Atlanta zu Skateboarden und Fotos und Videos von meinen Freunden zu machen. Ich war schrecklich, aber man sagt den Leuten einfach immer wieder, dass man Fotograf sei, bis es dann wirklich mal so ist. Dann nehmen dich die Leute mit, wollen, dass du sie fotografierst, es funktioniert nach dem Schneeball-Prinzip, wenn man mal jemandem gesagt hat, dass man fotografiert. Als ich nach New York zog, hörte ich auf mit dem Skaten. Ich konnte nicht weiter machen, neben der Schule. Aber ich hab einfach weiterhin Fotos und kurze Filme gemacht. Irgendwann sollte es mehr werden. Ich fühlte mich immer zu kreativen Leuten hingezogen.

© Tyler Mitchell

Was war die erste Kamera, die du benutzt hast, zu Beginn deiner Karriere? Was macht deiner Meinung nach ein gutes Foto aus?
Das war eine alte Canon DSLR. Kann mich nicht mehr erinnern welche. Die wurde mir in einem Skate-Park gestohlen. Von irgendeinem Arschloch. Ein gutes Bild erschafft eine Welt.

Was sagst du zu dem Phänomen, dass es immer mehr Fotografen gibt, seit den letzten Jahren? War es schwer für dich, als junger Fotograf einen eigenen Stil zu entwickeln, der dich auch wiedererkennbar macht?
Ich finde es super, dass es jetzt mehr Fotografen gibt. Die Leute sind so voreingenommen und in Aufruhr. Ich weiß nicht warum. Ich liebe es! Die guten Sachen schaffen es immer nach oben. Das Schlechte hat immer noch Luft nach oben. Wenn Kunst zu machen zum Trend wird, ist mir das immer noch lieber, als irgendetwas anderes. Wie ich schon sagte, das Gute schafft es immer nach oben.

© Tyler Mitchell

Wir sind Zeugen einer Eroberung der Welt durch Social Media. Wie wichtig ist es für einen Künstler heutzutage, sich und ihre Arbeit in diesem Bereich zu präsentieren?
Es ist mittlerweile so fern von Kommunikation, dass man es nicht mehr als soziale Medien bezeichnen kann. Es ist wie aus der Türe zu gehen. Es ist Mainstream. Es war mal viel tiefgründiger, als es noch komisch war, online zu sein und mich viele Kids in der Schule dafür verarscht hatten. Aber jetzt, wo soviel auf Instagram und ähnlichem aufbaut, verstehen sie’s.

Du hast eine Serie analoger Fotos in Kuba gemacht, in der du die lokale Skater-Szene präsentierst. Inwiefern hat deine Liebe zum Skaten dich zu diesem Projekt in Kuba inspiriert und dazu, dass du sie aus einer anderen Perspektive zeigen wolltest?
Dieses Projekt entstand aus purer Anziehungskraft. Das was du bist, zieht dich immer an – und ich hab als Skater angefangen. Obwohl ich jetzt keiner mehr bin, hab ich verstanden, was in Kuba gerade abgeht in der Szene und ich hab mir gesagt: „Das muss dokumentiert werden!“ Ich hab eine derartige Beziehung zu den Skatern aufgebaut, dass sie mich ihrer gesamten, wachsenden Community vorgestellt haben. Wir waren gemeinsam Skaten. Es war alles sehr natürlich. Und es wirkt, als bekämen die Leute das mit von den Fotos. Wenn ich Leuten erzähle, dass ich einen Monat lang in Kuba war, haben sie immer gesagt, dass es sich auch so angefühlt hat, beim Ansehen der Fotos.

© Tyler Mitchell

Deine Arbeit ist sehr vielseitig, weil du auch, neben anderen Dingen, Fashion-Photography machst. Was inspiriert dich in Bezug auf Mode?
Ich sehe das, was ich mache, nicht immer direkt als Fashion-Photography. So nennen es eben die Leute, und das ist okay für mich, weil es mir ermöglicht, mit interessanten Leuten, Publikationen und Kleidungsstücken zu arbeiten, die sich alle schließlich zu einer Idee in der Fotografie zusammenschließen. Aber um ehrlich zu sein, wusste ich vor ein paar Monaten noch nicht mal, was Fashion-Photography wirklich ist. Oder, dass meine Arbeit als „Fashion“ angesehen wurde, bis jemand mal über meine Arbeit in Kuba geschrieben hat. Sie haben mir gesagt, „Du stammst sicher aus der Modebranche“ und erst dann hab ich es realisiert: Die ganze Zeit über, habe ich immer Mode dazu verwendet, meine Geschichten in meinen Fotos zu erzählen. Aber oft ist es so, dass die Modebranche Fotos verwendet, um Geschichten zu erzählen. Das finde ich extrem langweilig und es ist ein trauriger Versuch, dir etwas zu verkaufen.

© Tyler Mitchell

Du hattest schon einmal die Möglichkeit, Celebrities zu fotografieren. Wie sehr, wenn überhaupt, unterscheidet sich die Arbeit mit ihnen von der mit anderen Leuten, die keine Stars sind?
Überhaupt nicht. Ich bekomme manchmal schwitzige Hände, weil es wirklich coole Leute sind. Aber ich glaube ich bin über diesen ganzen Star-Hype hinweg. Manchmal funktioniert’s noch, kommt drauf an, wer auf dem Foto ist, aber eigentlich versuche ich, mich auf das Foto selbst zu konzentrieren.

Neben deiner Arbeit als Fotograf, produzierst du erfolgreich Filme und führst Regie. Wie hart ist es, heutzutage Filme zu machen und sie qualitätsvoll zu produzieren? Woraus schöpfst du Inspiration für die Themen, von denen deine Filme handeln?
Ehrlich gesagt, glaube ich, dass Filme und Kurzfilme aussterben. Es wird weniger und weniger zu einer Industrie von der ich Teil sein will. Die Aufmerksamkeitsspanne der Leute wird immer kürzer und Filme werden einfach immer giftiger und weniger originell. Ich weiß, das ist eine betrübte Sicht auf die Dinge, aber ich vermisse einfach die Zeit zwischen 2010 und 2014, in der coole Kurzfilme und Videos zu finden, einfach noch etwas besonderes war, fast so etwas wie ein kleines Geheimnis, das niemand anderer kannte. Jetzt ist jeder verdorben und festgefahren, was man sich ansehen soll und was nicht. Ich will, dass man letztendlich meine Kunst auch sieht.

Weil wir gerade von Film reden, was zog dich zur analogen Fotografie und ließ dich auf Film fotografieren?
Ich bin auf Film-Fotografie durch meinen Freund Places Plus Faces gestoßen, der intime Portraits von Rappern exklusiv mit Film schießt. Ich fand das wunderschön und wollte es mehr auf meine Art probieren. Jetzt weiß ich nicht mal, wie man ein digitales Foto macht. Es fühlt sich gruselig an.

© Tyler Mitchell

Arbeitest du gerade an Projekten und was können wir von dir in der Zukunft erwarten?
Buch Nummer 2, dieses Jahr.


Danke Tyler! Alle Fotos in diesem Artikel wurden mit der Erlaubnis von Tyler Mitchell verwendet. Wenn ihr mehr von seiner Arbeit sehen wollt, folgt Tyler auf Instagram, oder besucht seine Website .

geschrieben von Ivana Džamić am 2016-07-17 in #Menschen

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