Karyatiden - Gedanken über die Rolle der Frau von Hannah Pichler

Hannah Pichler, aka Loewon, ist Restauratorin und analog Fanatikerin. In beidem sieht sie die Chance, wertvolles zu bewahren. Mit ihrer neuen Serie will sie ganz Bewusst Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung ansprechen.

"Im Beruf konserviere ich Objekte die einen persönlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Wert haben. Mit der Fotografie ist das ähnlich. Ich fotografiere aus dem Bedürfnis Momente, Eindrücke und Farben für die Nachwelt zu bewahren."
© Loewon

Die Idee zur Karyatiden-Serie entstand ganz zufällig auf einem Spaziergang, bei dem ihr diese oft übersehenen Figuren ins Auge stachen. Über die Figuren und deren Herkunft ist sehr wenig bekannt, aber die ältesten stammen aus dem 6. Jahrhundert vor Christus aus Delphi. Sie können als Verdeutlichung der Last gesehen werden, die Frauen im Alltag tragen. Manch einer verweist auf die Frauen der Stadt Karyai die, als Strafe für ihre Verbrüderung mit dem Feind, versklavt wurden. Die sinnvollste Theorie besagt jedoch, dass die stützenden Frauen Priesterinnen verkörpern. Das Amt wurde nur von den schönsten und angesehensten Mädchen und auch nur für jeweils ein Jahr belegt. Sie galten vor allem als spirituelle Stütze der Nation. Die Figuren, die heute noch die Fassaden der Jahrhundertwende-Häuser schmücken, haben mit ihren Vorgängerinnen oft kaum noch Ähnlichkeit. Umso interessanter ist es, ihre ursprüngliche Bedeutung zu erkunden.

"Ich stehe erst zu Beginn meines Projektes, noch gibt es viele Möglichkeiten in welche Richtung es gehen wird. Klar ist, dass ich anlässlich des Womens day Frauen fotografieren möchte welche in ihrem Leben eine Last zu tragen haben. Die Karyatide werde ich als Ausgangspunkt und Symbol in diese Bilder einfließen lassen. Wahrnehmung wird ein Hauptthema meiner Fotostrecke sein. Wer sind die Frauen an denen wir täglich vorbeigehen ohne richtig hinzusehen? Oft ist auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen welche Last sie zu tragen haben, Weiblichkeit und Aussehen stehen im Vordergrund."
© Loewon

In Hannahs Beruf sind Frauen noch immer nicht die Norm und Obwohl sie im Berufsalltag auch viel Akzeptanz, Respekt und Gleichberechtigung erfährt, kommt es immer wieder zu unangenehmen Situationen:

"Ich bekomme auf Baustellen immer wieder das Gefühl ein fremdes Wesen oder gar Eindringling zu sein.
Kommentare zu Figur und Frisur sind nicht selten und banalste Dinge, wie das eigenständige Tragen einer großen Leiter ziehen immer wieder unangenehme Aufmerksamkeit auf mich. Auch beiläufige Erwähnungen wie: 'Mädchen sind ja technisch/handwerklich nicht ganz so begabt' habe ich schon gehört. Meistens ist es ein ganz beiläufiger Sexismus der als „Spaß“ verpackt wird und die Bedeutung der Handlungen und Worte werden mir meist erst später bewusst."
© Loewon

Hannah findet, dass auch die analoge Fotografie ihren Teil zum Feminismus und im Kampf um Gleichberechtigung leisten kann:

"Die Kunst war schon immer ein ideales Medium Botschaften zu verbreiten. Ich denke auch, dass weibliche Künstlerinnen einen wichtigen Beitrag leisten können die Rolle der Frau als hübsches Fotomotiv zu hinterfragen und zu verändern."
© Loewon
"Frauen sind zurecht ein tolles Motiv. Aber keine Frau sollte mit ihrer Umgebung verschmelzen und hübsche Fassadengestaltung sein. Da steckt viel mehr dahinter. Ich möchte unentdeckte, unterschätze Frauen aus ihrer geschützten Umgebung herausholen und für Gegenwart und Zukunft ablichten."

geschrieben von alinaxeniatroniarsky am 2020-03-09 in #Kultur #Menschen

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