Wie man Fotogramme macht

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Ein Fotogramm zu machen, bringt einen zurück in die Zeit der kameralosen Fotografie der 1830-er Jahre, als William Henry Fox Talbot seine “photographischen Zeichnungen” gemacht hat. Er legte Laub auf lichtempfindliches Fotopapier und hat es im Sonnenlicht belichtet. Dies erzeugte ein Negativbild, oder Fotogramm, von dem ein Positiv-Kontaktabzug gemacht werden konnte. Noch heute ist der Prozess genau der gleiche, zuzüglich der Möglichkeit der digitalen Bildbearbeitung.

Der Reiz des Fotogramms liegt in der Art, wie es die flüchtige Schönheit der Natur einzufangen vermag — ihre Verletzlichkeit, Stärke, Form, Farbe und Körperlichkeit. Wenn du also Erfahrungen mit Botanik auf Kraut und Rüben begrenzt, dann solltest du es vielleicht mal mit Fotogrammen versuchen.

Materialien:

  • Abgelaufenes Fotopapier beliebig groß und alt
  • Zwei Teller zum waschen und fixieren
  • Schnellfixierer, verdünnt auf 1+9 (etwa 20 °C, die Temperatur ist aber nicht so kritisch)
  • Zangen
  • Kontaktabzug-Rahmen. (Man kann kann auch einen einfachen, selbstgemachten Rahmen aus einem Brett und einem Glasscheibe machen.)

Vorgehensweise:

  • Wähle eine Pflanzen-Art.
  • Platziere die Pflanze auf dem Fotopapier und leg es dann in den Rahmen. Das sollte im Dunkelkammer-, oder gedämmten Licht passieren.
  • Belichte das Papier im Sonnenlicht für bis zu 60 Minuten, während du deine E-Mails checkst und eine Tasse Tee trinkst.
  • Prüfe die Belichtung. Die Belichtungszeit ist abhängig von der Stärke der Sonne und wie dein Bild aussehen soll. Ich habe etwa 55 Minuten gewartet, bevor es bereit für’s Waschen und Fixieren war.
  • Entferne sorgfältig die Pflanzenteile vom Papier und halte dein belichtetes Papier für etwa 30 Sekunden ins Wasser. Leg es danach mit dem Bild nach unten in den Fixierer und fixiere es für etwa 2 Minuten. Denk daran, dies im Kunstlicht, oder im gedämmten Licht zu tun.
  • Wasch es noch einmal für 20 Minuten, um den überschüssigen Fixierer aus dem Papier zu waschen und lass es über Nacht trocknen.
  • Dein Abzug ist nun fertig zum scannen!
  • Scanne deinen Abzug. Nutze Bildbearbeitungssoftware, um die Level von Helligkeit und Kontrast etwas anzupassen, wenn du willst. Und schwups, schon hast du ein Fotogramm!

Bildkomposition

Die Bildkomposition ist der kritische Teil eines Fotogramms. Für mich sind Fotogramme sowohl Herausforderung als auch Vergnügen, das süchtig macht und mich mit der Geschichte der Fotografie ebenso verbindet wie Talbot.

  • Wenn du dein Material platzierst, achte auf die Beziehung von Motiv und Hintergrund.
  • Platziere das Papier unter dem Kontaktrahmen und das Material außen, oder über dem Rahmen, um einen weichen Fokus und zerstreute Schatten zu erhalten.
  • Probiere grade und ungrade Arrangements aus, maskiere deine Motive und lass sie überlappen.
  • Improvisiere etwas, indem du Blätter oder Samen auf das Papier streust
  • Mach einen Positiv-Abzug, indem du das Negativ hinterher auf unbelichtete Papier legst und erneut belichtest.
  • Lichtundurchlässige Objekte kannst du bei einer kurzen Belichtungszeit von nicht mehr als 90 Sekunden auch mit der Hand ins helle Sonnenlicht halten

Die Möglichkeiten dieses historischen Prozesses sind einfach grenzenlos!

Von: lomodesbro

Weitere Tipps:

  • Verschiedene Papiere ergeben unterschiedliche Resultate, abhängig von Art und Alter des Papiers. Das ist Teil des Spaßes beim Herstellen von Fotogrammen!
  • In der Bildbearbeitungssoftware, kannst du das Bild invertieren, um ein Positiv mit Komplementärfarben zu erhalten. Sei wagemutig und spiele mit Farbe, Mischung, Sättigung und Helligkeit. Magst du es ganz knallig? Sanft impressionistisch? Mit falschen Farben? Du hast die Wahl und bist nur durch deine Fantasie eingeschränkt.
  • Durch Belichtung im Morgen-, Mittag-, oder Abendlicht erhälst du unterschiedliche Effekte.
  • Platziere dein Motiv in unterschiedlichen Winkeln im Rahmen, um geisterhafte Schatten zu erzeugen.
  • Neben Pflanzen kannst du es auch mit anderen Materialien wie Glas, Plastik, künstlichen Pflanzen, Schablonen usw. probieren. Wer suchet, der findet. Talbot machte ein frühes Fotogramm mit Hilfe von Bindfäden.

Die kameralose Fotografie ist an vorderster Front der zeitgenössischen Foto-Praxis und lebt durch die Werke von Künstlern wie Wolfgang Tillmans, Adam Fuss, Catherine Yass und Susan Derges weiter, um nur ein paar zu nennen. Probier es doch einfach mal aus!


Des Brough (@lomodesbro) ist ein autodidaktischer Amateur-Fotograf mit einer Liebe zu Vintage- und Lochkameras, und seiner Großfamilie. Neben der Lomography-Community, liebt er es mit alternativen Prozessen und Kontaktabzügen zu experimentieren. Er brachte ein selbst verlegtes Buch mit den Titel “Monumental Wellington” heraus und plant, ein weiteres über Fotogramme zu veröffentlichen.

geschrieben von Des Brough am 2016-07-08 in #Anleitungen
übersetzt von dopa

5 Kommentare

  1. steamtug1959
    steamtug1959 ·

    Super !!!

  2. lalouve
    lalouve ·

    I'm gonna try that! Thank you!

  3. fotopetra
    fotopetra ·

    Ich kenne mich nicht allzu aus mit Fotografie, aber würde gerne mal ein Fotogramm ausprobieren. Nun bin ich auf diese Anleitung gestoßen und frage mich, wieso man außer Schnellfixierer keine Chemikalien benötigt. Also keinen Entwickler und kein Stopp-Bad. Bei eigentlich jeder Anleitung, die ich gefunden habe, bedarf es dieser. Könnte mir das jemand erklären?

  4. friwi49
    friwi49 ·

    Danke, super Anleitung. 😉

  5. steamtug1959
    steamtug1959 ·

    Hallo Des, ich kann es nicht erwarten, mit dieser Technik zu beginnen !!!! Vielen Dank für deinen gutgeschrieben Artikel, Ralph

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