Analoge und chemische Reaktionen: Ein Interview mit Kimberley Ross

Hast du dich mit deinen Eskapaden schon einmal in eine Gefahrenzone begeben? Wir meinen Experimente und Risiken, die deine gesamte Arbeit ruinieren, aber auch unglaubliche Kunstwerke hervorbringen können! Wer mutig ist, wird auch reich belohnt. Begrüßt die in Italien lebende Fotografin Kimberley Ross, die uns von ihrem kreativen und experimentellen Prozess der chemischen "Zerstörung" von Filmen durch verschiedenen Substanzen erzählt.

Hallo Kimberley, willkommen im Lomography-Magazin! Zuallererst, wann hast du mit der Fotografie angefangen, insbesondere mit der Filmfotografie?

Hallo allerseits, toll, hier zu sein! Ich habe später als die Meisten mit der Fotografie angefangen und kam durch eine andere Leidenschaft, die ich damals hatte, dazu. Ich habe Puppen gesammelt (ich weiß, es klingt super gruselig LOL). Ich fing mit einer kleinen Digitalkamera an, aber ich war nicht wirklich begeistert von den Ergebnissen und schon bald wechselte ich zu einer Filmkamera und fing an, zu Hause S/W-Filme zu entwickeln.

Die Fotos deines Analog-Remix sehen chemisch stark zerstört aus und sie sind einfach großartig! Kannst du uns den Arbeitsprozess dahinter beschreiben?

Ich fing mit diesem Projekt an, weil ich irgendwo von der Möglichkeit gelesen hatte, Filme vorzuwässern, bevor man sie verschießt, um ein gewisses Vintage-Feeling zu bekommen. Ich hatte zu der Zeit nichts zu fotografieren, also dachte ich, ich könnte das auch an ein paar Negativen ausprobieren. Das war alles sehr improvisiert und ich habe alles verwendet, was ich mir vorstellen konnte: heißes Wasser, Zitronensaft, verschiedene Arten von Seifen. Ich machte mir sehr sorgfältig Notizen und schrieb alles auf: Die Zutaten in denen jedes Negativ getränkt wurde und wie lange es eingelegt war. Dann legte ich alles auf meinen Scanner und drückte die Daumen.

Deine professionelle Arbeiten sehen komplett anders aus als die Bilder dieser Serie. Würdest du uns erzählen, warum du diese spezielle Ästhetik gewählt hast?

Wenn ich an einem Auftrag arbeite, habe ich selten die Freiheit, zu experimentieren - die meisten meiner Kunden suchen nach einem Produkt, das zuverlässig und vor allem schnell ist. Deshalb experimentiere ich gerne für meine persönlichen Projekte und probiere neue Dinge aus, die ich schließlich in meine Jobs einbauen kann. So habe ich zum Beispiel Prismen und ähnliche Geräte in meinen Live-Musikfotos verwendet: Ich habe das mal für mich selbst ausprobiert und später das, was ich entdeckt habe, in meine Arbeit eingebracht. Ich habe auch schon mit einem Haufen sehr alter russischer Filme experimentiert, die 1992 abgelaufen waren und ich liebte die Ergebnisse – später hatte ich das Glück, einen Auftrag von Yoox zu bekommen, bei dem ich diese Filme verwenden konnte, ohne dass sie sich über die Ergebnisse beschwerten.

Nach welchen Elementen suchst du im Allgemeinen, bevor du ein Foto aufnimmst?

Ich schaue vor allem anderem auf das Licht. Ich meine, das ist doch, worauf es bei der Fotografien ankommt, oder? Also ich finde schon! Ich suche immer nach einer Lichtsituation, die zu meinem Motiv passt. Dies ändert sich natürlich von Situation zu Situation. Wenn ich zum Beispiel Musik-Fotos mache, habe ich keine Möglichkeit, mit dem Licht zu arbeiten, also versuche ich, das Schema der Lichter für die Show zu verstehen, folge dem Rhythmus und verstehe, wann ich abdrücke, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Woher nimmst du deine Inspiration? Wer sind deine Musen?

Ich bin ein obsessiver Instagram-Nutzer! Ich finde, es ist ein wunderbares Werkzeug für Fotografen, um neue und unglaubliche Arbeiten aus der ganzen Welt zu entdecken. Ich verbringe Stunden damit, von Post zu Post zu gehen und lasse mich so unglaublich inspirieren. Es gibt so viele talentierte Fotografen da draußen! Ich war auch immer schon von Kino-Filmen begeistert. Ich bin in einer Familie von Cineasten aufgewachsen und habe später selbst Film studiert und ich bin mir sicher, dass das einen großen visuellen Einfluss auf mich hatte. Ich liebe die Arbeit vieler Fotografen, eigentlich sind es zu viele, um sie alle zu erwähnen, daher werde ich nur die Erste nennen, die mir in den Sinn kommt: Floria Sigismondi – Hi Floria, wenn du das liest: Ich liebe dich!

Wenn du mit einem Fotografen, Künstler oder einer Person, egal ob tot, lebendig oder fiktiv, arbeiten könntest, wer wäre das?

Oh je, das ist eine sehr schwierige Frage, also werde ich einfach den ersten Namen nennen, der mir in den Sinn kommt, sonst würde ich Stunden zum überlegen brauchen. Lebendig: Björk. Tot: Stanley Kubrick.

Beschreibe uns, wie ein Tag im Leben von Kimberley Ross aussieht?

Ahahah, ich habe keine zwei Tage, die gleich aussehen! Ich würde sagen, wenn ich nicht fotografiere, verbringe ich den Tag damit, meine E-Mails zu beantworten, andere E-Mails zu verschicken und mich im Allgemeinen um Projekte zu kümmern, die anstehen. Wenn ich fotografiere, stehe ich normalerweise sehr früh auf und gehe den Abenteuern nach, die auf meinem Plan stehen.

Was machst du normalerweise in deiner Freizeit? Hast du irgendwelche laufenden Projekte oder andere Pläne, an denen du arbeitest?

Ich habe selten Freizeit, ich glaube das "Problem" kennen alle Freiberufler. Selbst wenn ich fernsehe, ist mein Computer immer in der Nähe, so dass ich meine E-Mails abrufen oder eine Idee aufschreiben kann. Wenn ich wirklich entspannen möchte, gehe ich zu meiner Mutter, weil sie auf dem Land lebt und die Internetverbindung so schlecht ist, dass ich gezwungen bin, eine Pause einzulegen.

Was meine kommenden Projekte betrifft, so steht die Festival-Saison kurz bevor und das wird den Kern meiner Sommerpläne ausmachen. In diesem Jahr werde ich von Juni bis September 5-6 Festivals besuchen. Im Juni plane ich, von der Fashion Week zu berichten, an ein paar Portrait-Projekten zu arbeiten, meine 4x5-Kamera zu benutzen und – last but not least – habe ich meinen Vater einen individuellen Rahmen für mich bauen lassen, damit ich wieder anfangen kann mit der Cyanotypie zu experimentieren. Ich würde auch gerne Urlaub machen, ich habe in vier Jahren keinen gehabt, aber wir werden sehen.


Für weitere Arbeiten von Kimberley, besuche ihre Website und folge ihr auf Instagram und Facebook.

geschrieben von Ciel Hernandez am 2018-06-28 in #Menschen
übersetzt von dopa

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