37000: Guy Pinhas' Erstes Fotobuch über Schatten, Licht & Erinnerung
1 2In Guy Pinhas' erstem Fotobuch 37000, sein meisterhafter Umgang mit Licht, Schatten und Kontrasten steht im Mittelpunkt, um Geschichten von seinen zahllosen Besuchen in Tours, Frankreich (Postleitzahl: 37000) und der Rückkehr von dort zu erzählen – dem Wohnort seiner Eltern.
In diesem Interview spricht Guy (@guypinhas) darüber, wie es ist, zum ersten Mal an einem Buch zu arbeiten, wie ihn die Atmosphäre und Erlebnisse aus dieser Stadt in Frankreich inspiriert haben und gibt uns Einblicke in 37000.

Hallo, Guy! Willkommen zurück. Wie ist es dir seit unserem letzten Interview ergangen und womit hast du dich beschäftigt?
Mir geht’s gut, danke! Ich war viel mit dem Leben bzw. meinem Hauptjob beschäftigt, aber natürlich auch mit der Fotografie. Ich habe angefangen, all meine Bilder in Projekte zu organisieren – das bedeutet weniger Zeit zum Fotografieren, aber wenn man mich kennt, weiß man: Ganz ohne geht es nicht. Arbeit vs. Spaß? Ich wähle jedes Mal den Spaß. Und natürlich: Ich habe ein Buch! Mein erstes gedrucktes Projekt!
Kannst du uns etwas über dein Buch 37000 erzählen? Was waren die Inspirationen und Themen dahinter und wie lange hast du insgesamt an dem Projekt gearbeitet?
37000 ist die Postleitzahl einer Stadt in Frankreich namens Tours. Sie liegt etwa 250 Kilometer südwestlich von Paris. Die Stadt und die Region (La Loire) sind reich an Geschichte und Kultur. Außerdem ist es eine bekannte Weinregion – sowohl für traditionelle als auch für Naturweine. Mein Lieblingsort zum Weintrinken in Tours ist übrigens die Bar Dame Jeanne. Meine Eltern sind 2009 dorthin gezogen, nachdem sie ihr ganzes Leben in Paris verbracht hatten. Seitdem besuche ich sie fast jeden Monat – so ist über die Jahre dieses Projekt gewachsen.
Das Projekt wurde über zwölf Monate hinweg aufgenommen, von Mitte Dezember 2022 bis zur gleichen Zeit im Jahr 2023. Die Inspiration ist simpel: die Stadt selbst.
Tours hat ein sehr altes Stadtzentrum – es fühlt sich an wie das Dorf im Film: "Das Cabinet des Dr. Caligari". Während ich also durch die Straßen von Tours lief, fotografierte und die Ergebnisse sah, wurde mir klar, dass daraus etwas Eigenständiges entstehen könnte. Aber der Moment, in dem ich dem Ganzen den Titel 37000 gab, war der, der es "real" machte – der mich erkennen ließ: Das ist eine Publikation.
Welche Filmtypen und Kameras hast du für die Fotos verwendet?
Gute Frage, denn ich bin mir nicht zu 100 % sicher. Ich denke, vieles wurde mit Eastman Double-X (5222) und Orwo N75 aufgenommen, einige auch mit Fomapan 400. Alles wurde in Rodinal entwickelt. Bei den Kameras habe ich hauptsächlich eine Leica M4 mit einem 21 mm Objektiv verwendet, aber ein oder zwei Aufnahmen stammen von einer Olympus XA4, ein bis zwei von einer Canon EE17. Ich glaube, ein Bild habe ich sogar mit einem 90 mm Objektiv gemacht.

Du hast erwähnt, dass du rund 100 Fotos auf 40 für die finale Auswahl reduzieren musstest. Kannst du uns etwas mehr über diesen Teil deines kreativen Prozesses erzählen? Was haben die finalen 40 Bilder gemeinsam?
Es geht weniger darum, was sie gemeinsam haben – vielmehr waren es einfach die besseren Bilder. Ich hatte so viele Aufnahmen, deutlich mehr als die erwähnten hundert, denn ich habe bei meinen vielen Besuchen etwa fünfzig Filmrollen geschossen. Irgendwann musste ich eine Auswahl treffen. Die erste Sichtung war einfach: Ich habe alle Bilder herausgesucht, die das Potenzial hatten, es in die finale Auswahl zu schaffen. Am Ende hatte ich etwa 100 Fotos, die ich dann in drei Stapel aufteilte: „Yay“, „May“ und „Nay“.
An diesem Punkt wurde mir klar, dass mein eigener Blick nicht ausreichen würde – ich musste, wie man so schön sagt, einige meiner "Babys" opfern. Also habe ich drei Freunde hinzugezogen: Zwei von ihnen haben mir geholfen, die Bilder zu editieren und in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen, der dritte hat mich beim Layout unterstützt. Das alles geschah über das Jahr 2024 hinweg – mal intensiver, mal mit Pausen dazwischen.

Gibt es ein Foto in deinem Fotobuch, das dich besonders beeindruckt hat, als du es aufgenommen hast? Und kannst du die Geschichte dahinter erzählen?
Oh Gott, das ist wirklich schwer, weil ich einfach drauflos fotografiere und kein Tagebuch führe. Sobald ich eine Filmrolle voll habe, spule ich sie zurück und packe sie in meine Tasche – ich nummeriere sie nicht. Zu Hause packe ich sie dann in einen Zip-Beutel, auf dem nur der Ort steht. Je nachdem, wie viel ich zu tun habe, kann es schon mal einen Monat dauern, bis ich den Film entwickle. Deshalb vergesse ich oft vieles zwischen dem Moment der Aufnahme und dem tatsächlichen Entwickeln und Betrachten.
Trotzdem mag ich besonders das vorletzte Bild im Buch sehr, auch wenn es schwer ist, genau zu erkennen, was es zeigt. Es ist ein Stuhl, dessen Schatten auf den Boden fällt, auf dem er steht. Das Foto wurde in einem Altenheim aufgenommen, in dem meine Mutter momentan lebt. Der Stuhl steht im Flur im zweiten Stock und zeigt auf ein Fenster, das immer Sonnenlicht bekommt. Da die Bewohner dort sich im Spätherbst ihres Lebens befinden, fühlt es sich fast so an, als wäre das Licht das, was sie "mitnimmt".
Es ist so schön, dort zu sitzen – die Fenster sind groß und offen und wenn das Wetter gut ist, weht eine angenehme Brise und die Sonne scheint. Ich wollte genau diesen Moment festhalten, damit ich ihn nie vergesse.

Wie war deine Erfahrung bei der Arbeit an deinem ersten Buch? Gab es Schwierigkeiten im Prozess?
Die Erfahrung war großartig! Ich habe wirklich Glück, Freunde zu haben, die ein gutes Auge und Feingefühl besitzen. Es gab für mich keine wirklichen Schwierigkeiten, es war eher zeitaufwendig, da natürlich jeder sein eigenes Leben hat und das Zusammenfinden das einzige "Problem" war.
Im Nachhinein betrachtet war es genau das, was das Projekt zum Erfolg gemacht hat: nicht rund um die Uhr darin zu stecken. Abstand zu gewinnen war tatsächlich sehr hilfreich und ich würde jedem empfehlen, sich so viel Zeit wie möglich zu nehmen, wenn das machbar ist.

Zum Schluss: Hast du Tipps oder Ratschläge für andere KünstlerInnen, die auch gerne ein Fotobuch erstellen möchten?
Ich würde sagen: Legt erst mal eine große Menge an Bildern auf den Tisch – auch solche, von denen ihr denkt, sie seien nicht so gut. Lasst ein paar Gleichgesinnte drüberschauen und gemeinsam die „Yay“, „May“ und „Nay“-Auswahl diskutieren: Warum spricht euch ein Bild an und warum findet jemand anderes es eher langweilig?
Aber denkt immer daran: Es ist euer Projekt und ihr seid diejenigen, die damit "leben" müssen. Am Ende habt ihr das letzte Wort darüber, welches Bild es wirklich schafft und welches ein klares YAY bekommt!
Wir möchten Guy herzlich zu seinem ersten Buch gratulieren und uns dafür bedanken, dass er seine Bilder und Geschichten mit uns geteilt hat! Um mehr über seine Arbeit zu erfahren, seht euch 37000 an und besucht Guy's LomoHome.
Noch eine Empfehlung: Guy Pinhas on His Thought-Provoking Art & The Captivating Process of Film Photography
geschrieben von sylvann am 2025-05-23 in #Kultur #Menschen #Orte
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