Alex Gotter über Konzertfotografie und Regelbrüche

Angefangen hat bei Alex Gotter alles in den Backstage Bereichen der Hip Hop Clubs, heute ist der Fotograf verantwortlich für umwerfende Porträts von Künstler:Innen und Musiker:Innen. Für uns hat er beim Shooting mit Musiker Doppelfinger den Lomography Color Negative ISO 800 getestet!

Alex Gotter - Doppelfinger

Hi Alex und Willkommen im Lomography Magazin! Kannst du dich kurz in deinen eigenen Worten vorstellen?

Also meinen Namen kennt ihr ja schon einmal! Ich fotografiere ernsthaft seit 5 Jahren und nicht ernsthaft seit insgesamt so 8-9 Jahren. Ich fotografiere sehr viel Menschen, besonders Porträts von Künstler:Innen und Musiker:Innen. Ich hab früher auch selbst ein bisschen Musik gemacht, Gitarre gespielt und hab dann vor ungefähr 10 Jahren meinen Verstärker verkauft und davon meine erste Kamera gekauft. So fing es an, das Fotografie mein neues Hobby geworden ist - das ging dann so dahin.

Du hast jetzt nicht eine ganz “klassische” Laufbahn hinter dir - zuerst hast du PoWi studiert, dann Sozioökonomie. Da ist es doch ein großer Schritt zu Fotografie, wie ist es dazu gekommen?

Man kann ja gut neben dem PoWi Studium als Hobby fotografieren. Ich bin schon immer gern auf Live Konzerte gegangen, liebe Livemusik und die ganze Szene und Atmosphäre rundherum - das lies sich sehr gut mit der Fotografie verbinden. Ich hab dann auf den Gigs einfach immer fotografiert und so kamen dann auch die ersten Verbindungen zu den verschiedenen Bands. Wenn man immer auf den Konzerten ist sieht man sich oft und kennt sich auch irgendwann. So hat das also alles angefangen - mit Bands!

Ich hab die Fotografie lange unbezahlt gemacht, entweder für mich selbst oder für The Message Magazin. Für mich war das eine ganz gute Schule. Damals war Hip Hop noch nicht ganz so mainstream wie heute - es gab noch keinen Cro, keinen Casper, keinen Marteria. Damals war es so, dass sogar bei Auftritten von internationalen Hip Hop Musiker:Innen kein Magazin wirklich Interesse an einem Interview hatte. Wir haben also die Möglichkeit bekommen immer echt gute Interviewpartner:Innen zu haben, obwohl das Magazin ja eigentlich nicht so groß war. Da hab ich auch echt viel gelernt! Erstens muss man schnell sein, man hat vielleicht 5 Minuten nach dem Interview um Fotos, in den meist super dunklen und schon tausendfach fotografierten Backstage Bereichen zu machen und da hab ich mir dann auch schnell das Blitzen angewöhnt. Man muss also schnell fotografieren und sich schnell etwas einfallen lassen um zu versuchen aus diesen kleinen engen Räumen das Beste rauszuholen. Ich hab viel gelernt in dieser Zeit!

Alex Gotter - Doppelfinger

Wie war in diesen 5 Minuten die du da dann hattest die Interaktion mit den Künstler:Innen? Du versucht ja eine Verbindung zu der Person aufzubauen - was war da dein Prozess?

Ich finde allgemein, das Porträtfotografie sehr viel mit Verbindungen auf einer persönlichen Ebene zu tun hat. Da ist auch viel Psychologie dabei, ohne dass man das bewusst macht. Ich fotografiere ja eher selten professionelle Models und die Musiker:Innen sind manchmal nicht ganz so Kameraerfahren. Viele mögen das auch nicht unbedingt, es ist ja auch komisch von einem fremden fotografiert zu werden, den man grade erst kennengelernt hat. Deswegen macht glaub ich grade dieses Verbundenheitsgefühl und das psychologische viel aus bei meiner Porträtfotografie. Das war auch damals bei den Konzerten schon wichtig! Man versucht dann, mit irgendeinem blöden Spruch die Stimmung ein bisschen zu heben. Da gibst kein Patentrezept, man stellt sich auf die Person ein, versucht die Situation zu lesen und muss sich einfach ein bisschen einfühlen.

Alex Gotter - Doppelfinger

Du machst ja auch heute eigentlich noch eine Mischung aus Porträtfotografie und Konzertfotografie. z.B. bei den Venga Boys in Wien nach dem Ibiza-Skandal warst du mit dabei - macht dir davon etwas mehr Spaß oder lässt sich das gar nicht so vergleichen?

An der Konzertfotografie hängt halt mein Herz - das macht mir aber auch einfach Spaß, weil Konzerte schön sind und mir voll viel geben. Ich war jetzt grad wieder im Chelsea letzte Woche und das war mein erstes Konzert ohne Maske und da merkt man mal wieder wie einem das gefehlt hat. Ich hatte den Eindruck, dass wenn man nicht konfrontiert ist mit Konzerten und die einfach weg sind - man vermisst es gar nicht mehr so. Man weiß nach einer Zeit gar nicht mehr, wie sich das anfühlt. Wenn man dann wieder auf dem ersten Konzert ist denkt man sich nur WOW - das war schon ein wichtiger Teil von mir.

Ich hab mit Konzertfotografie glaub ich noch keinen Cent verdient aber darum gehts mir auch nicht dabei!

Alex Gotter - Doppelfinger

Was würdest du sagen inspiriert dich? Suchst du bewusst Inspiration, kommt das aus dem Alltag oder ganz spontan bei den Shootings?

Einfach durch meine Anfänge mit den 5 Minuten nach den Konzerten bin ich schon so der Typ, der gerne möglichst viel kontrolliert. Wenn man wenig Zeit hat, dann ist es schwierig viel dem Zufall zu überlassen. Aber in den letzten Jahren versuch ich schon freier und spontaner zu fotografieren und mehr einfach im Moment etwas zu kreieren. Wenn ich mit Künstler:Innen zusammensetzt und sich ein Konzept überlegt dann sucht man schon nach Moods die einem gefallen und ein paar Ideen, aber ganz viel passiert auch spontan am Tag des fotografierens. Wenn ich dann fotografiere, bin ich in einem kompletten Tunnel und schau eigentlich nicht auf eine Checkliste - das passiert dann eher mal zwischendurch. Grad auch bei Zeitdruck, zB bei kommerziellen Jobs muss ich meinen Assistent:Innen auch sagen, dass sie mich an die Uhrzeit erinnern sollen, damit wir nicht total überziehen - ich bin dann so konzentriert, dass ich nichts um mich herum wahrnehme. Dass hilft mir auch dabei spontan zu sein und loslassen.

Ich bin aber schon extrem selbstkritisch - also die meisten Fotos die älter als ein oder zwei Jahre sind find ich nicht mehr so spannend oder ich seh nur die Sachen, die ich anders machen würde. Meine Lieblingsshootings waren eigentlich immer die, mit den Künstler:Innen die ich schon länger kenne, wo es auch so ein freundschaftliches Verhältnis gibt. Da kann es auch vorkommen, das wir vor dem Shooting erstmal eine Stunde plaudern und Kaffee trinken und dann starten wir erst mit dem Shooting. Zum Beispiel mit Lou Asril hab ich jetzt schon recht viel fotografiert!

Ich würde diese Weiterentwicklung aber jetzt gar nicht als bewussten Prozess beschreiben, sondern eher als Phasen. Ich bin eine Person, die sehr schnell ein bisschen gelangweilt von der eigenen Arbeit ist. Ich hatte zum Beispiel eine Phase, in der ich viel mit buntem Licht und bunten Hintergründen gemacht hab, oder eine in der ich viel hart geblitzt habe. Momentan mag ich eher natürliches Licht oder Dauerlicht und ich mach auch viel mit Bewegtbild. Diese Phasen fühlen sich immer total spannend an aber Rückblickend betrachtet dann ein bisschen langweilig für mich. Das geht auch total schnell - ich mach dann 4-5 Shootings in einem ähnlichen Stil und hab das Gefühl ich wiederhol mich schon und suche was Neues.

Alex Gotter - Doppelfinger

Du hast für uns den Lomography Color Negative ISO 800 getestet. Wie war deine Erfahrung mit dem Film?

Also ich hab den Film 1 Stop überbelichtet, weil das dann meistens im Nachhinein ein bisschen mehr Spielraum lässt. Ich finde der Lomography Color Negative ISO 800 rauscht echt wenig für einen ISO 800 wenn man ihn richtig belichtet. Ich hab schon ISO 800 Schwarz-Weiß Filme verwendet und da war das rauschen viel auffälliger. Also hat mich erstaunt wie clean das Ergebnis war, ich denke aber auch dass das überbelichten geholfen hat. Der Look des Films hat mir gut gefallen, ich hätte mir fast etwas wilderes erwartet von Lomo! Bei meinen Fotos waren natürlich viele Hauttöne und wenig grelles, da wirkt der Film ganz anders als bei manchen der Beispielfotos. Ich find die Aufnahmen sind echt schön rausgekommen und ich fand ihn auch gut im Handling. Wir haben während dem Shooting viel melanchonische Musik gehört und ich find, das sieht man auch auf den Fotos!

Hast du noch einen letzten Tip für Personen die mit der analogen Fotografie oder Fotografie generell starten wollen?

Ich verfolg ja auch viele andere Fotograf:Innen und finde super spannend was alles so passiert. Viele Leute schreiben mich auch an um nach meinem Equipment zu Fragen - aber ich find die Geschichte hinter den Fotos und die Person die man fotografiert sind viel wichtiger als die Kamera die man verwendet. Man sollte sich da gar nicht zu viele Gedanken darüber machen und sich auch nicht von jemand anders sagen lassen, was richtig oder falsch ist - das findet man dann schon selber übers probieren raus. Also einfach machen und nicht so viel auf Andere schauen. Wenns interessant aussieht oder sich richtig anfühlt dann passt das schon. Es gibt wenig andere Kunst / Handwerk bei denen es so wenig Regeln gibt. Wenn das Bild zum Beispiel unscharf ist, aber es drückt das richtige Gefühl aus, dann ist das eben so!


Wenn dich die wunderbaren Aufnahmen von Doppelfinger melancholisch gestimmt haben dann hör in seinen neuen Song "seasonal affective disorder" rein!

Vielen Dank für das tolle Interview Alex!
Du willst mehr von Alex sehen? Dann folg ihm auf Instagram und schau auf seiner Webseite vorbei!

geschrieben von kathi-la am 2021-11-26 in #Menschen #Videos

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