Bonnita Postma lässt mit Non-Binary Vintage-Portraits Grenzen verschwimmen

Seit vielen Jahren behandeln wir das fotografische Bild als die genaue Abbildung der Wirklichkeit. Nun stellen Künstler wie Bonnita Postma den Zweck des Mediums in Frage, wenn sie alte Fotografien zu Assemblagen neuer Gesichter umarbeitet - neue Porträts von Menschen, deren Identität nicht durch Stereotypen von Rasse und Geschlecht gebunden ist. In diesem Interview erfährst Du, wie Bonnita Postma diese Assemblagen herstellt.

© Bonnita Postma

Wie hast Du begonne, Fotocollagen zu erstellen?

Ich arbeite seit 20 Jahren als Fotografin. Ich mache viele Porträts, für Zeitschriften, Verlage, Theater und Unternehmen. Was macht ein Porträt zum Porträt? Wie schaut man ein Porträt an? Was schaut man sich an? Wie erkennt man jemanden? Diese Fragen faszinieren mich. Wenn man jemandem die Augen verdeckt oder verändert, ist er nicht mehr dieselbe Person, man wird ihn nicht mehr erkennen. In diesem Sinne begann ich, Fotos auszuschneiden und zu experimentieren. Das gibt mir große Freiheit.

© Bonnita Postma

Wie die Porträts in ihrer geschlechtsspezifischen und/oder rassischen Identität zweideutig sind, funktioniert einfach perfekt. Alte und neue Fotos stehen nebeneinander/greifen ineinander. Kannst Du uns erzählen, wie Du zu dieser Serie gekommen bist? Was war der Anstoß zu dieser Serie?

Ich bin fasziniert von alten Fotos. Ein Blick in das Leben eines Menschen. Ein Moment der Intimität, den man mit einer unbekannten, verletzlichen Person vor der Kamera teilt. Ein Bild, das von geliebten Menschen geschätzt wird, das ich gerade auf Flohmärkten antreffe, das bewegt mich. Wenn man einen Teil eines Porträtfotos mit einem Teil eines Fotos aus einer anderen Zeit überdeckt, entsteht ein zeitloses Bild, ein Anachronismus des Porträts. Das gilt auch für die geschlechtliche oder rassische Identität. Mit einem kleinen Eingriff verschwindet das ursprüngliche Bild. Und damit auch das Stigma. Was ist die Wahrheit? Was schaue ich an? Was sehe ich?

© Bonnita Postma

Hattest Du bei der Erstellung der Serie irgendwelche Herausforderungen zu bewältigen? Was gefällt Dir am Prozess am besten?

Bei der Herstellung meiner Collagen bin ich auf mein Material angewiesen. Ich kann es nicht einfach kaufen. Der Zufall spielt also eine (große) Rolle. Und die Beschränkung meiner Palette gibt mir paradoxerweise die Freiheit, die ich suche. Wenn beim Schieben und Ausprobieren plötzlich ein Porträt entsteht, voller Schönheit, Unvollkommenheit, Authentizität und Verletzlichkeit... das ist Magie.

Was hält Dich trotz des digitalen Zeitalters bei dem eher alternativen Prozess der künstlerischen Bildherstellung?

Für meine Arbeit als redaktionelle Fotografin nutze ich alle digitalen Mittel. Für meine Kunstprojekte möchte ich mit realen, greifbaren Fotos arbeiten, nicht aus Zeitschriften - Fotos, die in großen Mengen erscheinen -, sondern mit einzigartigen Fotos mit einer Geschichte. Ich mag die Temperatur der alten Farbfotos, die Zeit hat ihre schönen Spuren hinterlassen. Ich schätze die Falten in einem Foto, einen eingerissenen Rand, die Narben der Zeit.

© Bonnita Postma

Was ist für Dich das Wichtigste bei der Erstellung eines Bildes?

Das Wichtigste für mich beim Erstellen eines Bildes ist der Moment, in dem ich das finde, was ich (unbewusst) suche. Dass es irgendwie irgendwie perfekt ist. Wenn ich von "dem gefangenen Neugeborenen" bewegt werde.

Was inspiriert Dich?

Ich lasse mich von den Details des Lebens inspirieren. Mein Blick wird nie ausgeschaltet. Ich finde es inspirierend, wenn Dinge in einen anderen Kontext gestellt werden. Und ich liebe es, nach (Vintage-)Bildern zu suchen. Die Momentaufnahmen des Lebens.

Und zuguter Letzt, was steht bei Dir als nächstes an?

Ich führe die Porträtserie fort. Ich bin auch mit einem Projekt mit alten Dias beschäftigt, die ich in meinem Elternhaus meiner Kindheit gefunden habe. Bestehende Bilder werden immer etwas sein, mit dem ich weiter experimentiere.

© Bonnita Postma

Besuch Bonnita Postma's Website und Instagram für mehr ihrer inspirierenden Arbeiten.

geschrieben von cielsan am 2020-06-02 in #Kultur #Menschen

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