Wie klingt Mehrfachbelichtungs-Musik? - Louis Dazy über verbindende Künste

Louis Dazy ist ein Fotograf aus Paris, den wir euch vor kurzem aufgrund seiner außergewöhnlichen Doppelbelichtungen in einem Interview vorstellten. Es war ein glücklicher Zufall, dass wir vor ein paar Wochen wieder über seinen Namen stolperten. Dieses Mal allerdings nicht über unsere gemeinsame Verbindung, der Fotografie, sondern unserem ähnlichen Musikgeschmack. Ich entdeckte eine Playlist auf Spotify, die nicht nur durch ihre Songauswahl, sondern auch aufgrund ihres Titels meine Neugier anregte. The Double Exposure Playlist nennt sie sich nämlich. Und dann sah ich den Namen darunter: Louis Dazy.

Louis Dazy

Ich wollte sofort wissen, wie jemand auf die Idee kommt eine Playlist nach dieser speziellen Technik der Fotografie zu benennen, denn ich selbst hatte erst einmal keine Ahnung, welche Musik ich damit in Verbindung bringen würde. Als ich mich durch scrollte, stellte ich allerdings zu meiner Überraschung fest, dass ich all die Songs als sehr passend empfand, obwohl ich mir nicht wirklich erklären konnte, weshalb. Deshalb habe ich mich sofort bei Louis Dazy gemeldet und ihn ein bisschen dazu ausgefragt.

Hallo mal wieder Louis! Erzähl doch bitte mal, wie du die Lieder für deine Double Exposure playlist? ausgewählt hast. In welcher Hinsicht siehst du persönlich eine Verbindung zwischen Musik und dieser Technik der Fotografie?

Ich wollte einfach ein paar Songs zusammenstellen, die zu meiner Stimmung passen, wenn ich fotografiere oder auch generell die Stimmung meiner Fotos wiederspiegeln, also hauptsächlich Melancholie und Einsamkeit. Ich habe die Playlist vor ein paar Monaten begonnen und seitdem fast wöchentlich upgedated. Musik ist ein großer Teil meines Lebens, sie hält mich kreativ. An einem normalen Tag höre ich mindestens 6 Stunden Musik und das schon seit ich sehr klein war. Der Grund für den Titel The Double Exposure Playlist kam mir auch, weil ich hauptsächlich für meine Mehrfachbelichtungen bekannt bin und ich wollte, dass die Leute diese Playlist einfach finden.

Von: louisdazy

Beinhaltet diese Playlist nur Songs, die du ausschließlich beim Fotografieren hörst, oder hörst du dieselbe Art von Musik auch in anderen Situationen?

Ich habe ungefähr 10 verschiedene Playlist, die jeweils unterschiedlichen Stimmungen oder Genres entsprechen. The Double Exposure Playlist ist hauptsächlich für die Momente, in denen ich Fotos mache, wenn ich mich introspektiv fühle oder meditiere. All die Lieder, die du darin findest, sind eng mit meiner kreativen Ader verbunden.

Ich habe mich sehr gefreut, sofort festzustellen, dass wir nicht nur den Geschmack in der Fotografie teilen, sondern auch in der Musik. Glaubst du, dass diese Vorlieben oft Hand in Hand gehen? Kannst du zum Beispiel den Musikgeschmack von Menschen anhand ihrer Fotos erraten?

Ich würde sagen in 90% der Fälle kann ich den Musikgeschmack von Leuten anhand ihrer Kunst erkennen. Wenn jemand sehr melancholische oder nostalgische Kunst herstellt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er/sie auch Bon Iver mag, wer eher psychodelische Bilder macht, hört wahrscheinlich eher The Brian Jonestown Massacre.

Louis Dazy

Du hast uns bereits in deinem ersten Interview erzählt, dass du immer Musik hörst, wenn du fotografierst. Kannst du dich immer noch an die Lieder erinnern, die du im Moment des Auslösens eines bestimmten Bildes im Ohr hattest? Wenn ja, vielleicht kannst du uns ein Beispiel zeigen und uns ein bisschen über die Verbindung des Fotos und Songs erzählen.

Ja, ich erinnere mich oft. Das hier ist ein Bild, zu dem ich den Song noch immer klar im Kopf habe:

Song: An Ocean In Between The Waves von The War On Drugs

Von: louisdazy

Ich war mit meinem Freund Duane mitten in der Nacht spazieren, wie wir es mehrmals die Woche machten. Ein paar Stunden lang schlenderten wir durch die nächtlichen Straßen Melbournes, einfach nur, weil wir Lust dazu hatten. Der Song von The War On Drugs spielte gerade über die Lautsprecher meines Handys, als ich dieses Foto machte. Es ist ein wirklich gutes Lied, es beginnt sanft, spacy, dann wird der Beat lauter - der Aufbau des Songs ist einfach stark und wenn erst einmal die Leadgitarre einsetzt (ungefähr bei 5:00), ist es einfach ein Traum. Es kommt alles nach und nach zusammen, bis zur letzten Sound-Explosion, wobei der verträumte und spacige Vibe stets gehalten wird! Dieser Song verleiht mir jedes verdammte Mal Gänsehaut und lief in eben dieser Nacht, als wir durch eine dieser verlassenen Straßen zwischen Fitzroy und Collingwood wanderten. Die Silhouette im Bild ist die meines Freundes, die blauen Lichter kamen vom Fish & Chips Imbiss, der gerade zusperren wollte. Ich machte die Doppelbelichtung mit dem COFFEE Neon-Schild, das zirka 100 Meter weiter in die Dunkelheit leuchtete und das rote Licht fiel vom Bürgersteig herein.

Auf deiner Webseite sprichst du auch viel von Filmen und Gemälden. Es scheint, als würdest du die unterschiedlichen Kunstformen nicht wirklich von einander trennen. In wie weit sind sie für dich miteinander verbunden und wie lässt du dich von ihnen in deiner Fotografie beeinflussen?

Für mich kommen sie am Ende alle zusammen. Welches Medium wir auch wählen, wir tun nichts anderes, als unsere Gefühle auszudrücken. Das mache ich auch, ich verarbeite ganz einfach Gefühle. Ich erstelle nie zuvor Moodboards oder arbeite mit visuellen Einflüssen, ich habe meine verzwickten Gefühle im Kopf gespeichert und das reicht aus. Manchmal können Filmszenen bestimmte Gefühle in mir hervorrufen, die ich zuvor noch nie gespürt habe, manchmal sind es Geschehnisse in meinem Leben, Gemälde, oder sonst eine Situation, die ihr ganz spezielles, einzigartiges Gefühl kreiert. Dieses Gefühl halte ich dann in meinem Kopf fest, ich speichere es ab und hole es später, wenn ich fotografiere wieder zurück.

Von: louisdazy

Wenn ich so deine Doppelbelichtungen in den nächtlichen Straßen und die vielen Neonlichter betrachte, erinnert mich das stark an Murakamis Roman "After Dark". Ist die Literatur auch eine Form, die dich beeinflusst? Und viel wichtiger: Hast du After Dark gelesen? Wenn nicht, solltest du! :-)

Leider bin ich kein großer Leser mehr. Früher habe ich mehr gelesen, aber vor Jahren aufgehört. Ich sage mir immer, ich habe nicht genug Zeit zu lesen aber das ist natürlich eine kleine Lüge. Ich habe noch nicht von After Dark gehört, aber das klingt interessant und jetzt, da du es mit meiner Arbeit vergleichst, werde ich es lesen. Also danke!

Von: louisdazy

Vielleicht kannst du ein paar Bands/Musiker aus der Playlist wählen und uns ein bisschen darüber erzählen. Kannst du erklären, was sie für dich bedeuten oder weshalb sie dich inspirieren?

Ich freue mich, dass du fragst!
Es gibt diesen Song Shake von Cool Sounds - die Melancholie darin ist auf den Punkt getroffen. Ich habe den Song das erste Mal in einer Bar, The Beaufort in Carlton South, gehört. Es war ein Sonntagnachmittag und ich wartete auf einen Freund und trank ein Pale Ale. In der Bar ist es sehr dunkel, auch am Tag, und dann kam dieser Song. Ich muss dazu sagen, dass ich ein großer Fan vom Saxophon bin und das Lied mit einem beginnt. Die Tonart ist Moll, es klingt alles sehr verträumt, nostalgisch und süß. Schon nach den ersten 10 Sekunden hatte ich Gänsehaut und fragte den Baarkeeper welche Band das wäre. Es war eine örtliche Gruppe, ich hatte nie von ihnen gehört aber bis zu dem heutigen Tage höre ich dieses Lied mindestens einmal die Woche.

Dope Lemon ist die Band von Angus (von Angus and Julia Stone, ein bisschen verträumt/psychedelisch/pop, ich mag den Vibe sehr !

Bei der Band Seahaven finde ich immer Zuflucht, wenn ich traurig bin. Ich liebe ihre Texte und die 90er-Jahre Grunge-Instrumentals. Und Soto's Stimme ist nicht von dieser Welt!

Angelo Badalamenti ist einer meiner Lieblinge! Er hat früher Scores für David Lynch Filme geschrieben und die Serie Twin Peaks - Saxophon und düstere Stimmung.

Louis Dazy

Es scheint, als würdest du alle Formen der Kunst ein bisschen wie deine Fotografie behandeln. Mit mehreren Ebenen, zusammengemischt und damit etwas Neues erschaffen. Kannst du diesem Vergleich zustimmen?

Ich habe darüber noch nie nachgedacht, aber ich würde behaupten, damit hast du recht. So fühlt es sich an, wenn ich etwas kreiere, erst aus einer Mischung von Dingen entsteht eine neue, einzigartige Emotion, die ich mit meinen Fotos transportieren will.


Entdecke noch mehr Mehrfachbelichtungs-Magie von Louis und folge ihm auf Instagram, Flickr oder seiner LomoHome

Das nächste Mal, wenn du deine Kamera in die Welt hinaus trägst, lass dich über deine Kopfhörer von Louis Dazys Playlist inspirieren.

geschrieben von birgitbuchart am 2017-11-11 in #Menschen

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