Kiev 6S: Sowjet-ukrainischer SLR-Koloss

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Sie ist eine voll manuelle Mittelformat-Spiegelreflexkamera aus der Sowjet-Ukraine, die entwickelt wurde um es mit den ostdeutschen Modellen aufzunehmen. Lies weiter und um mehr über dieses Stück ukrainischer “Ingenieurskunst” zu erfahren.

Kiev 6S

“Klonk!” machte der Auslöser, als mein Vater mir diese Kamera zeigt. “Natürlich kann ich sie dir borgen”, sagte er, “wenn du dich unbedingt unglücklich machen willst.” Ich habe sie ausprobiert und bin alles andere als unglücklich.

Die Kiev 6S bzw. 6S TTL (kyrillisch: Киев 6C) ist eine Mittelformat-Spiegelreflexkamera für Rollfilme des Typs 120 und 220, die von 1971 bis 1986 für den Inlandsverkauf gebaut wurde. Produzent war die ukrainische Arsenal (Арсенал) mit Sitz in Kiew. Das Design der Kamera folgt sehr stark dem Vorbild der ostdeutschen Pentacon Six. Sie ist voll manuell und kann wahlweise mit Lichtschacht- oder Primensucher genutzt werden.

Der Schlitzverschluss der Kiev 6S erlaub Verschlusszeiten von 1/1000 bis 1/2 Sekunde, zusätzlich zum Bulb-Modus (B).

Die Wechselobjektive für die Kiev 6S sind mit denen der Pentacon Six kompatibel. Das Fokussieren erfolgt über ein Schnittbild in der Mitte des Suchers. Das f/2,8 bis f/22 90mm Originalobjektiv ist relativ lichtstark, jedoch nicht beschichtet. Dadurch ist es am ehesten für Schwarz-/Weiß-Aufnahmen geeignet. Wer mich kennt weiß jedoch, dass ich nur äußerst ungern auf Farbe verzichte.

Original f/2,8 bis f/22 90mm Objektiv

Eine weitere Schwachstelle, so mein Vater, ist der Filmtransport. Um zu vermeiden, dass die 6×6-Bilder sich überlappen, muss man den Hebel langsam und gleichmäßig spannen. Leichter gesagt als getan. “Eine Kiev 6S gilt als zuverlässig, wenn 75% der Bilder etwas werden”, so mein Vater. Ungewöhnlich, um nicht zu sagen gewöhnungsbedürftig ist auch der Auslöser an der Vorderseite, den man mit der linken Hand betätigt. Bei so manchen Foto greift man auf der Suche nach dem Auslöser erst einmal ins Leere.

Auslöser der Kiev 6S

Der ebenfalls mit der Kiev 60 kompatible Primensucher mit TTL-Belichtungsmesser hilft theoretisch die richtige Belichtung zu treffen, eine entsprechende Batterie vorausgesetzt. Die ursprüngliche 3/GP60K-Batterie kann durch drei LR44-Knopfzellen ersetzt werden.

Nimmt man die Kiev 6S das erste Mal in die Hand, fällt zunächst das hohe Gewicht von knapp 2kg mit Objektiv auf. Kaum verwunderlich: Der Koloss ist riesig, wie die nachfolgenden Größenvergleiche zeigen, und solide genug gebaut um für ein Teil eines T-84 gehalten zu werden.

Größenvergleich mit einer Zenit EM und einer Lomo LC-A

Auf eBay wird die Kiev 6S (irrtümlicherweise auch oft Kiev 6C genannt) etwas günstiger gehandelt als ihre Nachfolgerin Kiev 60 und ist für etwa 100 bis 150€ (inkl. Objektiv) zu bekommen. Ich kann nur empfehlen zuzuschlagen, wenn man sie günstiger sieht. Sie hat ihre Tücken, oder sagen wir besser Charakteristika, doch was ist besser als eine Kamera mit Charakter?

geschrieben von dopa am 2014-04-28 in #Ausrüstung #review #kiev #slr #mittelformat #ukraine

9 Kommentare

  1. zorki
    zorki ·

    Schöner Beitrag! Ich hab die Kiev 60 und bin sehr zufrieden mit ihr. Nur das Gewicht setzt einem wörtlich schwer zu...
    Zu den Bildüberlappungen muss man auch sagen, dass diese vorkommen, da die Kiev-Kameras offenbar auf eine andere Filmdicke kalibriert sind. Heutige Mittelformatfilme sorgen fast immer für kleinere Überlappungen, egal wie vorsichtig man spult. Abhilfe verschafft dieser Tipster: www.lomography.de/magazine/tipster/2013/04/04/keine-erlappu…

    Wo bleiben denn eigentlich Beispielfotos? :)

  2. dopa
    dopa ·

    ja genau @zorki, der standard wird wohl der 220er gewesen sein, 220er-Spulen hab ich aber tatsächlich noch nie mit Film drauf gesehen ^ ^ Im nachhinein fällt mich auch noch so einiges ein, was ich hätte ergänzen sollen... Beispielfotos sind geknipst, ich kam aber noch nicht zum entwickeln : ( (Link wird nachgereicht) ... ja, vielen Dank für dein Lob ; )

  3. yago56
    yago56 ·

    120er und 220er Filme haben die gleichen Spulen. Beim 220er fehlt zwischendrin das Deckpapier. Ostfilme hatten eine wesentlich dickere Trägerschicht. Hatte mal direkt nach der Wende 1989 einen tschechichen Kleinbildfilm in meine Pentax geladen. Nach etwa 20 Bildernn streikte der Winder und der Film liess sich nicht mehr transportieren. Die Spule war schlichtweg voll. Die Mittelformatfilme waren so spröde, daß sie oft gerissen sind und entwicklungstechnisch sehr heikel waren. Mit dem Standardentwickler war nichts drauf zu sehen; musste mir damals extra ein Ostprodukt zulegen. Die Kiev an sich ist eine klasse Kamera, besonders in Verbindung mit den Pentacon-Linsen und wenn man mal keinen Hammer hat.....

  4. dopa
    dopa ·

    wow, wieder was gelernt @yago56 :D als Türstopper ist sie auch klasse ...

  5. marlonmosh
    marlonmosh ·

    ich hab die kiev 88 und bin mit dieser voll zufrieden. habe die für 130 euro mit ttl und lichtschachtsucher sowie dem 80mm objektiv bekommen - nur das magazin ist nicht ganz lichtdicht, dafür hilft aber gaffa...
    die kiev 60 sehe ich oft auf ebay, geht oft für 70 euro weg mit objektiv- eine überlegung ist diese wirklich wert!
    schöner artikel :)

  6. avola
    avola ·

    schöner Artikel, ich liebe diese Kamera auch sehr, habe aber trotz des Tipsters von @vivie noch nicht wirklich überlappungsfrei fotographiert:-( @yago56, die Idee mit dem Hammer hatte ich auch schon:-)) der Türstopper war mir neu, leuchtet aber auch ein.

  7. dopa
    dopa ·

    Beispielbilder mit der KIEV 6S und Lomography Xpro 200: www.lomography.de/homes/dopa/albums/2020457-mmxiv-lv-waldsp…

  8. dopa
    dopa ·

    @zorki, @avola, @marlonmosh & @yago56

  9. vintaprint
    vintaprint ·

    Die Kamera an sich ist nicht schlecht, man muß halt nur ein gutes Exemplar erwischen. Ich hatte mit meiner damals wenig Glück und habe mich von getrennt. Das mit den Überlappenden Bildern war nervig, der Verschluss hat wenige Wochen nach Ablauf der Garantie seinen Geist aufgeben. Das war nicht das was von einer Kamera erwarte. Ich habe da ich schon Objektive besaß eine Exakta66 Mod2 gekauft. Eine veredelte Pentacon Six sie ist mir auf einer Fotokina des analogen Zeitalters wärmsten empfohlen worden. Man kann auch diese Kamera nicht mit einer Hasselblad oder Rollei vergleichen. Einzig die bezahlbaren guten Zeiss Jena Objektive sprechen für dies Kameras. Noch mal vor die Entscheidung gestellt würde ich mir entweder tatsäcklich ein Hasselblad kaufen oder eine 4,5x6cm Kamera. (Zensa oder Mamiya)

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