analog: bestes! (und hier das erste)

Es begann alles mit einem Diebstahl.
Wie kann man nur einem kleinen blonden Mädchen seine kleine Digitalkamera aus der Jackentasche stehlen? Und das auch noch auf einer Klassenfahrt, wo Fotos für die ewige Erinnerung geschossen werden sollen.
Die Erinnerungen konnten durch die Fotos der Anderen nicht ersetzt werden. Ich war zwar auch bei diesen Situationen dabei, aber es war nicht MEIN Blick und die ganzen Momente, die mein Gehirn noch gespeichert hatte, sollten nur darin, und nicht als Foto bleiben und also immer mehr verblassen.
Als psychologische Reaktion entwickelte ich eine Leidenschaft für billige ebay-Digitalkameras, kurz darauf kam eine bessere “Bridge”-Kamera und dann nahm ich nach dem Abi extra einen Kassiererjob an, um mir eine gute Ausrüstung um eine digitale Spiegelreflexkamera leisten zu können. Und so ging der Traum weiter: Ich schoss Fotos für viele meiner Freunde, für eine Zeitung, fing an, Kunst zu studieren, mit Photoshop umzugehen und war immer besser darin, perfekt kontrolliert das Foto zu machen, das ich wollte.
Nur leider alles digital. Auf einem Laptop gespeichert. Leider, denn:
Die Wende kam auch mit einem Diebstahl. In meiner Uni-Mensa wurde mir dann mein Laptop gestohlen. Und natürlich nicht nur dieser: Auch alle meine Fotos. Unwiederruflich. Und ich hatte wirklich VIELE. Alle Erinnerungen, besondere Schnappschüsse, Ergebnisse von großen Fotoprojekten waren weg.
Ich weiß noch., wie ich ein paar Wochen nach dem Diebstahl bemerkte, dass ich meine liebste Digitalkamera seit dem Diebstahl nicht mehr angerührt hatte. Warum sich damit beschäftigen, wenn es so vergänglich ist und diese digitalen Daten so leicht verschwinden können wie ein Kugelschreiber? Außerdem hatte für mich ein einzelnes Foto in der Masse den Wert verloren und die perfekt kontrollierte Abbildung verlor ihren Reiz, alles wirkte so steril.
Ich konnte aber nicht mit der Fotografie aufhören, Kameras sind meine Leidenschaft. Ich wollte etwas anderes, neues sehen – hatte Lust auf Ungewohntes wie bei Polaroidfotos. Im Internet erfuhr ich dann den Preis (was meinen Wunsch für dieses neue Hobby stoppte), stieß aber bei der Suche auf LOMOGRAPHY-Bilder. Das faszinierte mich, bunte Farben – und die Bilder sind nicht nur Daten, die schnell verschwinden können, ich bekomme sie in die Hand (und da sie bis jetzt fast alle an meiner Wand hängen, verschwinden sie wohl auch nicht so schnell) – und es ist natürlich auch günstig, also konnte ich mir ganz schnell eine Holga und einen Actionsampler kaufen.
Tatsächlich war es wirklich der erste wolkenfreie, sonnige Tag nach einer langen Grauphase (der erste Tag, wo eine Sonnenbrille nötig war und ich einen Rock tragen konnte!), als ich das Paket mit den Kameras öffnete. Natürlich sehr schön symbolisch, aber auch PERFEKT für die Lomografie! Also startete ich eine Fototour mit meinem Freund, wo ich an einem Tag gleich zwei Filme belichtete. Und drei Tage später (ich benutzte einen 35mm-Film) konnte ich auch schon meinen ersten entwickelten Film betrachten:

Ein doppelt belichtetes (Bein + Kopf) Selbstportrait mit meiner Holga. Wann hatte ich vorher ein Selbstportrait mit einer Digitalkamera gemacht? Ich hatte aufgehört, weil sie immer so schrecklich gleich und langweilig aussahen. Und wie hätte ich gedacht, dass aus so einem Plastikteil überhaupt ein Foto kommt? Und vor allem: wie hätte ich sonst so eine Doppelbelichtung gemacht? Mit Photoshop kann man Bilder übereinanderlegen – aber dies macht man, wenn überhaupt, natürlich immer wohl überlegt, schiebt ganz lange an der Position und an den Farben etc. herum – niemals könnte so ein Foto entstehen, was gerade durch seine Zufälligkeit so schön ist.

Und das hat mich so fasziniert, dass ich wusste: analoge Fotografie hinkt der digitalen nicht hinterher. Sie ist anders und eigenwillig – und dadurch schön.
Und wenn mir jemand meine tolle Holga stiehlt, ist das zwar ein Drama – ich werde mir aber schnell eine neue leisten und kann durch ein anderes Exemplar – mit neuen Light Leaks etc. – auch wieder ganz neue Bilder machen.

geschrieben von lampe-no2 am 2011-04-12