Brasília – Oscar Niemeyers Utopia

Als ich unsere WM-Tour plante, standen natürlich viele Städte zur Disposition. Manche waren Spielorte, andere fielen gleich durchs Raster und andere waren ganz oben auf der Liste. Dazu gehörte auf jeden Fall Brasília – der feuchte Traum jedes Architektur-Aficionados und eine urbane Utopie. Ein Tribut an den vor zwei Jahren verstorbenen Oscar Niemeyer und eine Stadt, die 1987 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde.

Von: wil6ka

Brasília ist die Hauptstadt Brasiliens und sie ist komplett am Reißbrett entstanden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde beschlossen, dass Brasilien eine Hauptstadt im Herzen des Landes erhalten sollte. Schnell fasste man das eher karge Gebiet des zentralen Hochplateaus in 1158 Metern Höhe dafür ins Auge. Es dauerte dann aber noch bis 1956, bis das Ganze mit dem Plano Piloto, dem Leitplan, umgesetzt wurde. Visionärer Stadtplaner war Lúcio Costa und federführender Architekt war der Kommunist Oskar Niemeyer, der wie kein anderer Architekt vor ihm das Bild einer kompletten Stadt prägte. Rund 50.000 Bauarbeiter waren in Brasília aktiv. Die meisten Gebäude wurden in nur vier Jahren fertig gebaut – eine wahnsinnige Leistung, die auch auf den politischen Willen des Präsidenten Kubitschek zurückzuführen ist.
Jetzt leben ca 2,6 Millionen Einwohner in der Hauptstadt, alle haben mehr oder weniger mit der Verwaltung oder Politik zu tun. Alle Ministerien, das Parlament, der Kongress, alles was politisch wichtig ist, befindet sich hier. Es dauerte aber qua Ultimatum bis 1972, bis alle Staatsangestellten, die bisher in Rio de Janeiro lebten, nach Brasília umzogen.

Von: wil6ka

Ich hatte es eingerichtet, dass wir mindestens zwei Nächte in Brasília blieben, und gleich nach meiner Ankunft war ich heiß wie Frittenfett, in die Architektur-Welt einzutauchen. Und so machte ich es jeden Tag. Vom Kongress bis zur Kathedrale lief ich alle Gebäude ab und fotografierte sie aus allen Winkeln. Zu jeder Tageszeit fällt das Licht anders und lässt diese architektonische Wunderwelt immer wieder neu erleben. Mittlerweile gibt es auch eine Art grüne Insel am Paranoa Lake, wo man sich erholen kann, aber Beton ist dennoch King in Brasília. Ich denke, sofern man keine Freunde oder Connections in der Stadt hat, reichen 2-3 Tage auch perfekt aus, um die urbane Utopie zu erleben. Ein Muss ist das Ausstellungsgebäude, bei dem ein Saturn-Ring ein planetarisches Gefühl vermittelt. Die Kathedrale ist von innen ein fantastisches Beispiel von natürlichem Lichtdesign.

Von: wil6ka

Oscars Brasília liegt einer Utopie zugrunde. In der Welt der 50er und 60er stand die Welt im Zeichen von Futurismus. Der Weltkrieg war überstanden, Atomenergie versprach auf ewig kostenlose Energie, erste Roboter und Computer versprachen ein Leben, das den Menschen und seine Entfaltung in den Vordergrund stellte. Dem sollte auch die Architektur Planung tragen. Hier ist ja eine Stadt komplett neu konzipiert worden. Der Stadtplan sieht aus wie ein Flugzeug. Die staatlichen Gebäude, das Parlament, der Kongress, die Uni, alles, ist im Bauch des Flugzeuges. Die ganzen Wohnblöcke für die Staatsbediensteten und alle anderen sind in den Flügeln, die in vielen Parallelstraßen aufgegliedert sind. In jeder Straße gibt es die Dinge, die man zum Leben braucht: Läden, Restaurant und Dienstleister. Es gibt kaum echte Kreuzungen, der Verkehr wird über Kreisverkehre geleitet. Wenn man sich also verfährt, hat man die Arschkarte gezogen. Alles sollte auf das Minimalste reduziert werden, keine Verzierungen, kein Schnickschnack. Der Mensch sollte in der Tiefgarage in sein Auto steigen und erst wieder bei seiner Arbeit aussteigen. Dummerweise leben jetzt viel mehr Menschen in der Stadt als jemals geplant war. Auch die Busse platzen aus allen Nähten. Aber mittlerweile gibt es auch City-Bikes.

Von: wil6ka

Brasília ist eine sehr sichere Stadt in der vor allem Menschen aus der Mittel- und Oberschicht wohnen. Bauarbeiter oder andere schwächere Schichten wohnen in den Satellitenstädten rund um Brasília, für sie war kein Platz in der Hauptstadt vorgesehen. Außerdem fehlt es an kulturellem Leben in der Stadt – der Bär steppt eher in den anderen Städten wie Rio oder Sao Paulo. Oscar Niemeyer hat im Jahr 2001 zugegeben, dass sein Experiment gescheitert ist – well – war einen Versuch wert. Der Mensch ist halt nicht planbar.

Von: wil6ka

geschrieben von wil6ka am 2014-11-23 in #Orte #trip #location #brasilien #urban-adventures #architektur #steine #politik #niemeyer #utopie #haeuswr #brasilie

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