Die künstlerische Foto-Ästhetik vergangener Jahrzehnte: Ein Interview mit Chiara Dondi

Die italienische Fotografin Chiara Dondi lebt das Leben alter Künstler. Durch ihre visuelle Sprache erhalten ihre in der Gegenwart verankerten weiblichen Musen einen wunderbar mysteriösen Vintage-Charme.

Hi Chiara! Willkommen im Lomography Magazin. Was motiviert dich, dich künstlerisch auszuleben?

Ich versuche immer neue Wege der Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. Wenn ich ein Buch lese, mir eines meiner Kunstbücher anschaue oder einen Film ansehe, dann suche ich etwas, was mich inspirieren und mir zu neuen Foto-Ideen verhelfen könnte. Ich glaube, es ist dieser Art von Neugierde, die mich antreibt.

Was begeistert dich als Fotografin an der Analogfotografie? Und wie hat diese Begeisterung begonnen?

Fotografie war bei mir immer als heimliche Leidenschaft präsent, glaube ich. Es fing damit an, dass ich als kleines Kind immer von meinem Vater fotografiert wurde. Es machte mir aber keinen Spaß, Model zu spielen, weil es mich genervt hat. Aber ich wollte mehr über Fotografie erfahren und hinter der Kamera stehen. Ich entdeckte irgendwann die Malerei und das Zeichnen für mich und später merkte ich auch, dass die Fotografie mir Spaß macht. Aber eben hinter der Kamera.

Deine Fotos erinnern an Fotos aus dem 19. Jahrhundert, nur, dass sie im hier und jetzt spielen. Wieso hast du dich für diese Ästhetik entschieden?

Ich glaube, diese Ästhetik ist zu 50% beabsichtigt und zu 50% zufällig. Ich möchte, dass meine Fotos aussehen, als würden sie aus einer vergangenen Zeit kommen. Gleichzeitig will ich auch, dass die Frauen, die ich auswähle, stark und mit ihren Emotionen im Reinen wirken, wenn sie mit ihren Co-Models sind.

Um auf die Ästhetik zurückzukommen: Ich glaube, das ist die Technik, die ich nutze. Ich habe jahrelang versucht, meine Vergangenheit als Malerin mit meiner fotografischen Seite zu vereinen und dieser "Aquarell auf Foto"-Look ist das Ergebnis davon.

Du hast eine Serie namens "Anthropomorphe". Warum sind Insekten über den Augen deiner Models?

Ich habe große Angst vor Insekten. Deshalb habe ich versucht, jedes Insekt mit dem Gesicht einer Person zu verbinden, die ich liebe. Dazu zählen einige meiner Models, meine Freunde und mein Sohn.

Wie ähnlich sind Menschen und Insekten sich deiner Meinung nach?

Naja, ich glaube, dass wir uns selbst so wichtig nehmen, dass wir manchmal vergessen, wie klein wir in dieser großen Welt sind. Gemessen an der Welt sind wir genau wie Insekten: sehr klein. Auch wenn ich Angst vor Insekten habe, habe ich doch Respekt vor ihnen. Ich hoffe, dass wir alle ein bisschen mehr Respekt davor haben können, was um uns herum geschieht.

Woher bekommst du deine Inspiration?

Zuerst einmal von meinem Werdegang. Ich habe Kunst und Architektur in Florenz studiert und das hat mir dabei geholfen, eine persönliche Ästhetik zu entwickeln. Außerdem von Filmen. Ich liebe Truffaut, Bertolucci, Visconti und Monicelli. Und von Musik, die es schafft, mich aus dem Alltag zu reißen. Agnes Obel, Depeche Mode, Air und so weiter.

Wenn du Zeit mit einem bestimmten Künstler, Fotografen oder Gestalter verbringen könntest – egal ob tot oder lebending – wen würdest du treffen und was würdet ihr machen? (Es muss nichts mit Fotografie zu tun haben).

Was für eine tolle Frage! Wow, ich würde so viele Künstler treffen. Mit Mario Monicelli würde ich gerne über seine "bischerate" reden. Das ist toskanischer Dialekt und bedeutet so viel wie "Streiche". Mit Diana Arbus würde ich gerne darüber sprechen, was es bedeutet, anders zu sein. Mit Claude Monet würde ich picknicken. Mit Warhol würde ich eine Campbell Suppe essen. Mit meinem Idol David Bowie würde ich malen. Die Liste ist ewig.

Als analoge Fotografin hat man es mit dem Medium ja nicht immer einfach heutzutage. Was für Hoffnungen hast du, was die Film-Community betrifft?

Ich hoffe, es geht so weiter wie jetzt gerade. Eine bewusste Wiederentdeckung und Interesse an der Tatsache, dass analoge Fotografie nicht veraltet ist, sondern eine Möglichkeit, genau hinzuschauen, bevor man handelt.

Letzte Frage: Hast du gerade ein laufendes Projekt oder planst du etwas und möchtest darüber sprechen?

Ich habe gerade eine Serie mit Doppelbelichtungen angefangen, in der es um die Frauen in meinem Leben geht. Ich hoffe, dass die Ergebnisse so werden, wie ich sie mir vorstelle.


Lest unseren ersten Artikel über Chiara Dondi oder besucht ihre Website, Instagram und Facebook, um mehr von ihren Arbeiten zu sehen.

geschrieben von Ciel Hernandez am 2018-11-05 in #Menschen

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