Ein Interview mit Diana-Liebhaber Mark Sink

Der Fotograf Mark Sink, der in der New Yorker Downtown-Kunstszene wahrhaftig "den Traum gelebt" hat und ein leidenschaftlicher Liebhaber der Eigenheiten der Diana ist, schätzt ihre einfachen Bedienelemente,ihren Spielzeugcharakter und ihre Lo-Fi-Ergebnisse. Er benutzte seine Lieblings-Diana, um Berühmtheiten wie Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat und Grace Jones einzufangen, sowie Landschaften, Akte und eine Menge anderer atemberaubender Motive. In der geschätzten Gemeinschaft von unglaublichen Diana-Künstler und Künstlerinnen steht er ganz an vorderster Front.

Foto von Mark Sink

Hallo Mark! Wann hast du die Diana zum ersten Mal für dich entdeckt und was waren deine ersten Eindrücke von ihr?

Meine allererste Begegnung mit ihr hatte ich in den 1960er Jahren, als meine Eltern mir eine schenkten. Ich erinnere mich nicht daran, sie benutzt zu haben. Erst 20 Jahre später habe ich diese Diana und die unvollendete Filmrolle, die sich in ihre befand, wiederentdeckt. Ich habe diese Rolle dann während eines Kunstfotografie-Kurses mit Ruth Thorne Thompson ausgeknipst. Als ich die Rolle entwickelt hatte, kamen Bilder meiner Mutter aus Kniehöhe zum Vorschein! Das hat mich umgehauen. Das war der Beginn meiner umgekehrten technologischen Karriere. Der Effekt davon war etwas, das ich nie gesehen habe. Ich dachte, ich wäre der Einzige, der diese Kamera für ernsthafte Kunst benutzt. Ich fand später heraus, dass das überhaupt nicht der Fall war. Dutzende von Diana-Benutzern hatten schon vor mir Bücher und Kataloge veröffentlicht. Ich war also Teil der zweiten Welle. Holga und Lomo sind Teil der dritten.

Fotos von Mark Sink

Du hast deine Diana ausgiebig dazu benutzt, die New Yorker Kunstszene der 1980er Jahre zu dokumentieren. Gibt es Diana-Aufnahmen, die du gemacht hast und die eine besonders verrückte Hintergrundgeschichte haben?

Einmal habe ich mich in eine private Vernissage des amerikanischen Künstlers Cy Tyombly im Museum of Modern Art eingeschlichen. Ich habe dem Türsteher einfach einen Plastikweinbecher gezeigt und er hat mich einfach reingelassen! Ich konnte darum an diesem Abend Cy, Steve Martin, Francesco Clemente und viele andere Stars fotografieren. Sie haben die Diana geliebt, was man auf den Fotos an ihren Augen erkennen kann. Außerdem konnte ich durch sie ganz nah an die Stars herangehen, da sie gesehen haben, dass ich kein Journalist mit einer riesigen Kamera bin. Stattdessen haben sie mich gefragt: "Was für ein Ding ist das?"

Ich hätte noch viele Geschichten zu erzählen. Eine meiner Favoriten hat mit einem großen Job zu tun, den ich durch The New Yorker bekommen habe. Dabei ging es um einen speziellen Unternehmensbericht, der die Lebensgeschichte von den berühmten Autoren illustrieren und vor der Veröffentlichung von deren Büchern erscheinen sollte. Bei den Autoren handelte es sich um Leute wie J. D. Salinger (Catcher in the Rye), Rachel Carson (Silent Spring), Jacobo Timerman (Prisoner Without a Name, Cell Without a Number). Es war eine große Sache, ein 5-Riesen-pro-Tag-Shooting! Ich bin mit meiner Diana um den Hals und einem Blitz in der Hand im Studio aufgetaucht. Sonst hatte ich nichts dabei! Die Kunden und Kundenbetreuer und all die kreativen Leute, die im Studio auf mich warteten, waren nicht glücklich. Sie konnten einfach nicht glauben, dass ich kein weiteres Equipment bei mir hatte und darum ging jeder einfach nach Hause und ich blieb mit den Modells allein zurück. Ich habe ein paar Fotos gemacht, sie entwickelt und in die Agentur gebracht. In der Zwischenzeit waren sie damit beschäftigt gewesen, Portfolios von Fotografen zu durchsuchen, um einen geeigneten Ersatz für mich zu finden. Sie blickten alle entsetzt über die Schulter, als ich zurückkam. Ich zeigte ihnen meine Kontaktabzüge. Mit großer Überraschung liebten sie die Aufnahmen und sie alle klatschten und jubelten. Dann gaben sie mir den Rest des Projekts.

Fotos von Mark Sink

Ist deiner Meinung nach der Fotograf oder die Kamera wichtiger?

Oh, es geht nur um die Kamera [lacht]. Das hätte ich vorher nie gesagt. Oder es ist beides. Natürlich stehen Konzept und das handwerkliche Können und die persönliche Vision im Vordergrund, und dabei spielt die Kamera (theoretisch) eigentlich gar keine Rolle. Heutzutage sammeln alle großen Museen und Privatsammlungen großformatige 8x10" Kameraarbeiten. Meine Polaroids aus den 1980ern gelten als vintage und sind sehr wertvoll. Zumal es keinen Polaroid SX-70-Film mehr gibt.

Foto von Mark Sink

Wir müssen einfach danach fragen: Was hat Andy Warhol über die Diana gedacht?

Er hasste sie. Es ging ihm um das Neue und Scharfe. Er mochte das alte romantische Gefühl nicht. "Sie ist so altmodisch", würde er sagen. Er hasste weiche Bilder. Nun, wenn ich ihm romantische heiße Jungs, statt nackten Mädchen zeigen würde, würde er sie wohl mehr mögen, denke ich. Er fragte immer: "Warum machst du keine Fotos von Jungs?" Er hat meine Selbstporträts behalten [lacht]! Er hat eine Diana-Kamera von mir behalten, die ich ihm zum Fotografieren gegeben habe. Später, nach seinem Tod, rief mich die Warhol-Stiftung an, um sich bei mir die Erlaubnis einzuholen, die Aufnahmen auf dem Film in der Diana veröffentlichen zu dürfen. Noch bevor sie sie entwickelt hatten. Ich hatte keine Ahnung. Ich habe ihm die Kamera gegeben und plante den Film für ihn zu entwickeln. Dazu kam es aber nie. Nicht zuletzt, da er die Kamera nie benutzt hat und der Film darum leer war.

Fotos von Mark Sink

New York City hat sich in den letzten Jahren enorm verändert. Gibt es ein paar Dinge, die du wirklich vermisst?

Nun, ich gehe nicht wie früher jeden zweiten Monat zurück. Oh Gott ... Ich vermisse die 80er Jahre. Ich sah die Kunstszene im East Village kommen und gehen. Der Times Square und die 42nd Street sind alle aufgeräumt. Es ist sehr Las-Vegas-like. Soho-Lofts waren früher billig. Ich hatte 20 Jahre lang ein mietpreisreguliertes Zimmer in Chelsea in der 21st Street und 7th Avenue. Für 150 $ pro Monat. Es war die Bombe! Es saß über einem ruhigen Garten im Hinterhof mit nichts als Vogelgesang und dem Rascheln von Blättern. Ich vermisse das Zimmer. Es gibt unzählige Geschichten von diesem Ort, den wir den "Room" nannten. James Iha von den Smashing Pumpkins liebte diesen Raum. Ich vermisse es einfach, jung in NYC zu sein, hungrig und geil. Am meisten vermisse ich diesen blinden Ehrgeiz und das "Ich-kann-alles-machen"-Gefühl. Wahrscheinlich hat ein 20-Jähriger, der jetzt ankommt, aber das selbe Gefühl.

Die Ladenfronten ändern sich. Die sozialen Cliquen verändern sich. Redakteure ändern sich. Aber es ist in vielerlei Hinsicht für die jungen, neuen Generationen immer noch das Gleiche. Jetzt werden die alten, geschlagenen Hippie-80er-Überlebenden wie ich sagen: "Meine Güte, sie haben einfach keine Clubs wie CBGB's oder Area oder den Mudd Club. "Die Boheme scheint vor einem Jahrzehnt oder schon länger auf die andere Seite des Flusses gezogen zu sein. Wir, die in den Achtzigern heiß und wild waren, sind jetzt alle mürrische alte Männer. Aber es macht Spaß, eine lebende Reliquie aus dieser Zeit zu sein [lacht]. Leute wollen dich interviewen!

Ist die Diana mehr “Ich bin so frei!” oder “Lass dich auf ein Abenteuer ein"?

“Ich bin so freiiiiiiii,” natürlich. Sie ist leicht und lustig. Leute lächeln, wenn du sie anvisierst. Du kannst sie überall hin mitnehmen. Das Plastikgeräusch vom Drehkopf ist das Beste.

Fotos von Mark Sink

Was ist deine schlimmste Diana-Geschichte?

Apropos lustiger, lauter Drehknopf. Ich war einmal in einem hochrangigen Pressekreis und schoss den Papstbesuch in Denver für die New York Times. Er kam auf uns zu, und ich begann, die Diana-Kamera aufzuwickeln. Alle um mich herum stoppten und drehten sich um, um mich und dann meine Sicherheits-ID-Tags zu sehen - und dann die an meiner Kamera.

Und einmal, bei einem anderen hochkarätigen Shooting, war ich vor dem Präsidenten einer riesigen Bank. Ich zeigte ihm die Diana und kicherte, während ich erzählte, dass dies nur eine Spielzeugkamera sei. Und wieder, das war ein großer Fehler. Der Kunde hat meinen Witz nicht verstanden. Also habe ich immer die Hasselblad und Studio-Strobes installiert, auch wenn ich die Diana benutze!

Ja, die Linse neigt manchmal dazu, herauszufallen. Die kleinen Schalter brechen ab. Das ist vor allen möglichen Promis passiert. Das brachte mir immer einige Lacher ein. Es ist mir sogar einmal vor dem Papst passiert!

Was denkst du sind die wirklich einzigartigen Eigenschaften, die die Diana auszeichnen?

Sie tut alles, was Kameras nicht "tun" sollen. Vignetten und Kantenunschärfen. Sie hat unzuverlässige Verschlusszeiten. Sie ist zerbrechlich. Sie schmilzt in der Sonne. Sie ist eine Umkehrung. Sie hat eine eigene Stimme. Nancy Burson hat mir eines ihrer Bilder für eine Arrow (einen Diana-Klon) verkauft, weil sie ihre Qualität mochte. Die Arrow ist wirklich schlecht gemacht, aber die Unschärfe an den Rändern ist intensiver.

Irgendwelche Ratschläge für zukünftige Diana-Shooter oder Shooterinnen?

Konzept zuerst! Die Diana mag wenig Licht lieber als kalte helle Tage. Diana ist eine tolle Reisekamera und eine tolle Hochzeitskamera. Sie romantisiert das Ereignis oder touristische Wunder der Welt. Mach keinen Fotojournalismus. Ich bin kein Fan von allem, was viel beschäftigtes Blabla in den Bildern hat. Die Diana geht gut mit einfachen grafischen Formen und Rhythmen um. Wie steht es mit der Idee des Raums zwischen den Objekten an sich, die Gegenstand eines Bildes sind? Wage es, zu scheitern. Die Diana funktioniert, weil der Diana glückliche Zufälle passieren. Glückliche Zufälle sind der Schlüssel zum Erfolg. Man muss lernen, loszulassen und zu versagen. Wir leben zu sehr in einer versagenssicheren Welt.

Fotos von Mark Sink

Zu guter Letzt: Könntest du bitte dein eigenes Diana-Haiku für uns kreieren?

flight with light plastic
my love huntress Diana
lightbox of my soul

2018-06-12

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