To Russia with Love (Teil 3)

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In der dritten und letzten Ausgabe seiner russischen Liebesgeschichte erzählt Herr Willie über die einprägsamsten Erlebnisse seiner Trips in das nach-sowjetische Russland, inklusive seiner Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn und dem Fotografieren mit der La Sardina im Auftrag von Lomography. Er wird nostalgisch, wenn er über die Menschen spricht, die er getroffen hat.

Seine Reisen durch Russland waren zweifellos einige von Willie Schumanns, oder wil6ka, wie er in der Community heißt, gehaltvollsten Erlebnisse. Bisher nahm uns Schumann mit auf einen visuelle Ausflug zu vielen der Orte, die die ehemalige Sowjetunion charakterisieren – Sibirien, Usbekistan (Samarkand und Buchara), Moskau, Aserbaidschan (Nagorno Karabakh) und Armenien. In der letzten Ausgabe seiner dreiteiligen “To Russia with Love” Serie erinnert sich Schumann liebevoll an einige der einprägsamsten Erlebnisse seiner Reisen – inklusive seiner Fahrt an Board der berühmten Transsibirischen Eisenbahn, dem Fotografieren für Lomography mit der La Sardina und dem Einfangen von Fotografien auf Film. Dabei rückt er mit ein paar wertvollen Reisetipps heraus. Das ganze krönt er abschließend mit einer Anekdote über ein Treffen mit einer Person, die eine Verbindung mit einem der Menschen hat, die Schumann einige Jahre früher kennengelernt hatte.

Einprägsame Erlebnisse

Ich hatte reichlich viele einprägsame Erlebnisse und ich hoffe inständig, dass denen noch viele mehr folgen werden. Eine der großartigsten Reisen meines Lebens war meine Zeit auf der Transsibirischen Eisenbahn während meines Freiwilligendienstes im Jahr 1999. Ich fuhr innerhalb von fünf einhalb Tagen über die Mongolei bis nach Peking und von Vladivostok in sieben Tagen zurück nach Moskau. Ich hatte das Schuljahr beendet und war bereit dazu den Sommer auf Achse zu verbringen, weil ich verstanden hatte, dass ich wahrscheinlich in der Zukunft keine Chance mehr haben würde so viel Zeit zum Reisen zu nutzen.

Auf der Rückreise von Vladiwostok aus teilte ich mir eine Vierbett-Kabine mit einem Kerl aus Aserbaidschan, der in Sibirien arbeitete und nach Hause zurückkehren wollte. Die anderen zwei Betten wechselten ständig ihre Besitzer. Der Zug stoppte alle zwei bis drei Stunden und fuhr mit einer relativ langsamen Geschwindigkeit. Das verschaffte mir genug Zeit mich mit jedem ausgiebig zu unterhalten, Karten zu spielen und ein paar Flaschen heiliges Wasser zu teilen. Im Jahr 2011 nutzte ich die Transsibirische Eisenbahn erneut für ein paar Streckenabschnitte und es war wieder eine sehr coole Erfahrung. Natürlich ist es von Vorteil, wenn du die Sprache sprichst.

Als die Lomography Hauptverwaltung mich bat die La Sardina auf eine Reise in die ehemalige Sowjetunion zu nehmen, um ein Buch für die Beluga und Czar Editionen zu schreiben fühlte ich mich geschmeichelt und nahm die Aufgabe an. Innerhalb weniger Tage entwickelte ich einen Reiseplan, der mich durch Lettland, Russland, die Ukraine, Aserbaidschan und Armenien führen sollte. Die Eile, die kurzen Distanzen von einem Land zum anderen und das Ziel des ganzen ließen die Reise sehr lohnenswert erscheinen.

Ich erinnere mich an meinen Rückweg von China nach Vladiwostok, um meinen Zug zurück nach Moskau und St. Petersburg zu nehmen. Ich war ein bisschen erschöpft, aber glücklich zurückzukehren. Dann bekam ich mein Zugticket und musste nur 50$ zahlen, weil ich eine besondere Erlaubnis hatte – es war ein echtes Schnäppchen. Ich lief noch ein wenig durch die Stadt und war rechtzeitig wieder am Bahnhof, um mein Fahrzeug für die nächsten sieben Tage zu bekommen.

Als der Zug nicht kam wie erwartet, wagte ich einen zweiten Blick auf mein Ticket. Ich realisierte, dass all die Zeiten auf Zugtickets in Moskauer Zeit ausgegeben waren. Ich befand mich aber in der weit entferntesten Zeitzone von der Hauptstadt, am anderen Ende der Welt! So hatte ich weitere sieben Stunden zu warten um letztendlich den Sprung in den Zug zu schaffen. Das traf mich hart, so hart, dass ich die nächsten sieben Stunden wie aus der Bahn geworfen auf einer Bank im Bahnhof von Vladiwostok verbrachte.

Analoges Fotografieren

Als ich das erste Mal in Russland war, hatte ich meine Canon EOS SLR dabei und noch nie etwas von Lomography gehört. Sie war meine erste Kamera und ich nahm sie überall mit hin, sogar mit nach China.

Bald wurde ich jedoch Lomograph und auf unterschiedlichen Reisen nahm ich unterschiedliche Kameras mit. Ich trug fast immer eine LC-A mit mir herum, aber erst später wurde sie auch zu meiner ersten Wahl bezüglich Verlässlichkeit. In Sibirien war eine Noblex 135U die einzige Panorama-Kamera, die ich hatte, weil die Horizon 202 bereits im Zug aufgegeben hatte. Des Weiteren nahm ich eine Globuscope mit nach Usbekistan, die sich später als zu groß und schwer herausstellte.

Und dann bekam ich die einmalige Chance auf einer meiner Reisen das Buch “The Caviar Diaries” für Lomography zu gestalten. Ich wurde darum gebeten die neue La Sardina Kamera mit nach Osteuropa zu nehmen und Geschichten über Kaviar zu sammeln.

Ich erhielt eine meiner persönlichsten Kameras in Russland. Meine gute Freundin masha_njam gab mir eine Lubitel II als Geschenk während ich in St. Petersburg war, die in mir die Leidenschaft für Mittelformat-Fotografie weckte.

Ich trage immer eine Menge Filme mit mir herum. Aber man muss das von verschiedenen Perspektiven aus betrachten. Obwohl du Probleme haben könntest qualitativ hochwertige Filme außerhalb der Großstädte zu bekommen bist du doch im Land der Handwerker und Ingenieure. Ebenso musst du Glück haben eine original LC-A in privaten Haushalten oder auf Flohmärkten zu finden.

Ein ungewöhnliches Ziel

Es ist schwer zu leugnen, dass da eine gewisse Spannung ist, die mit dir reist, wenn du in Russland bist. Vielleicht aufgrund des Jahrzehnts des Kalten Krieges, der Größe des Landes und des unbestreitbaren Mangels an Service. Russland und viele seiner Nachbarländer sind kein Kinderspiel, wenn es ums Reisen geht. Aber das gibt dem Ganzen auch seinen gewissen Charme. Wenn du es einfach willst kannst du auch Urlaub in einem Ferienressort in Griechenland machen oder mit deiner Jacht auf die Malediven fahren.

Wenn du ein Lomograph bist und dazu noch vertraut mit Menschen und der Verrücktheit des Lebens, dann könnte diese Region genau das sein, nachdem du suchst. Wenn du die ersten Schichten der Rauheit abgezogen hast wirst du es sicherlich genießen den wahrhaftigen Menschen mit wahrer Empathiefähigkeit und scharfem Verstand zu begegnen. Und du kannst dich selbst mit einer Ehrenmedaille belohnen, wenn du überlebst – ich scherze natürlich nur.

Für Erstreisende: Versucht ein Visum von einer Behörde zu bekommen, oder eine offizielle Einladung von einer kulturellen Institution in Russland. In der Schlange stehen vor der Botschaft kann absolut schrecklich sein. Wenn du dann da bist musst du realisieren, dass Russland nicht Europa ist und nicht vergleichbar mit anderen Staaten auf der Welt.

Sei geduldig und erwarte nicht zu viel bezüglich Service oder Informationen. Sei dir bewusst, dass es in den Straßen zu jeder Zeit eine Präsenz von Polizei oder Militär gibt. Einige Regierungsgebäude, Grenzen oder Bahnhöfe werden als geschützte Bereiche bezeichnet, besonders wenn du sie fotografieren willst. Du könntest in Konflikt mit den Autoritäten geraten.

Wenn du in einen solchen Konflikt gerätst, versuche verständnisvoll und geduldig zu sein. Sobald die Polizei dich als Problem erachtet wird sie versuchen sich dieses Problems zu entledigen. Es ist leichter für dich mit einem Lächeln und einer aufrichtigen Entschuldigung davonzukommen. Wenn sie das Gefühl haben, dass du ihre Anliegen verstehst werden die Dinge glimpflich ablaufen.

Jede Reise ist auch eine Reise zu Menschen und wenn du die Ortsansässigen davon überzeugt hast, dass sie dir vertrauen können werden sie ihre Türen und Herzen für dich öffnen. Die Geschichten, die sie erzählen werden dich umso mehr berühren. Die Menschen in der Region der ehemaligen Sowjetunion sind sehr ehrlich – es gibt dort keine falsche Heuchelei und das ist so wundervoll. Was du siehst ist was du bekommst.

Selbst jetzt noch, 15 Jahre nach meinem ersten Erscheinen in einer Schule in Russland wollen sich frühere Schüler mit mir auf Facebook befreunden. Sie beginnen ihre Konversation mit “Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern, aber Sie waren die erste Person, die je Deutsch mit mir gesprochen hat und ich erinnere mich immernoch daran!” Ist das nicht beeindruckend?

Hier ist noch eine kurze Anekdote , die ich dieser kleinen Geschichte von mir noch hinzufügen möchte. Etwa sieben Jahre, nachdem ich die Strecke der Transsibirischen Eisenbahn gefahren war rief mich jemand auf Russisch. Ein Mädchen sagte kichernd “Ich kenne dich, weil mein Vater dich kennt”, was mich verdutzte. Nach ein paar Spielereien stellte sich heraus, dass dieses Mädchen die Tochter des Aserbaidschaners war, der mit mir in der Transsib. im Jahr ’99 reiste.

Sie fuhr fort, “Naja, als du zurückkamst schicktest du uns die Fotos, die du im Zug aufgenommen hattest. Wir haben uns sehr darüber gefreut. Wir hätten uns gerne richtig bei dir bedankt, aber wir hatten kein Telefon.” Nach einer kurzen Pause rief sie aus “Aber jetzt haben wir ein Telefon!”

Vorher:
To Russia with Love (Teil 1)
To Russia with Love (Teil 2)

geschrieben von Julien Matabuena am 2015-05-03 in #Orte #lifestyle #location #wil6ka #reisen #herr-willie #russland #russia-with-love
übersetzt von Lomography

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